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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
97. Jahresband.2017
Seite: 204
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2017/0205
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Andre Gutmann

worauf der Offenburger Rat überhaupt erst die lokalen Juden
gefangen setzte.

Dieser Eindruck verstärkt sich noch dadurch, dass auch die
initiale Beschuldigung, der „Anfangsverdacht", nicht etwa aus
den Reihen der Offenburger Juden stammte, sondern von Seiten
eines frömden [Judens] under in[en] (Z.6f.) formuliert worden
sei, der nicht einmal namentlich benannt wird. Die Anonymisierung
dieses „Informanten" ist umso erstaunlicher, da
in anderen Berichten auf die Identifizierung auswärtiger Juden
großer Wert gelegt wurde, ließ sich damit doch die Propaganda
der „jüdischen Verschwörung" gegen die Christen auch auf
andere Orte streuen und weiterverbreiten! Bemerkenswert ist
auch, dass dieser zu dem ersten ze red (Z.8.) gestellt worden sein
soll, was auch nicht unbedingt als Ausweis eines besonderen
Verdachtsmoments des Rats gegenüber den Offenburger Juden
erscheint. Dieser unbekannte auswärtige Jude habe dann un-
betwüngenlich (Z.8), „ungezwungen", also nicht unter Einfluss
der Folter, zwei Offenburger Juden mit Namen Süßkind und
Schaden sowie den Haslacher Juden Kerf holzen der „Brunnenvergiftung
" beschuldigt, worauf das Verfahren gegen Süßkind
und Schaden in voller Härte begonnen worden sei, in dessen
Verlauf noch ein weiterer Jude namens Schälklin von Rottweil
belastet wurde.

Hierzu ist eine weitere Beobachtung einzuflechten, und zwar
zur Beschreibung bzw. eigentlich besser Umschreibung des Tatbestands
. Denn obwohl es in dem Bericht um den Tatbestand
der Brunnenvergiftung geht, wird in Bezug auf die tatsächliche
Wortwahl ganz erheblich abgerüstet: Im krassen Gegensatz zu
allen anderen Berichten, die Straßburg aus verschiedenen Städten
erhielt, und in denen die Worte „Gift" oder „vergiften" geradezu
exzessiv Verwendung finden,28 tauchen diese in dem Offenburger
Bericht kein einziges Mal auf. Stattdessen finden sich
geradezu bemühte Umschreibungen des angeblichen Vergehens,
wobei dessen Vorwurf zu keinem Zeitpunkt seitens des Rats gebraucht
wird: Nur in den „Geständnissen", deren Zustandekommen
unter Folter freimütig zugegeben wird (Z. 20: und däten dem
gar we mit dümen und andern sacken; Z.31f.: da hiez man henken
an die dumen), werden den beiden gefolterten Juden zweimal die
Worte in den Mund gelegt, sie hätten darüber diskutiert, wie
man dieprünnen entreinde (Z.27f.) bzw. beabsichtigt habe dies zu
tun (Z.35f.). Hier ist also davon die Rede, einen Brunnen zu
entreinen bzw. entreinden, zu „entreinigen", also zu verschmutzen
oder zu besudeln, eine in keinem der anderen Berichte an Straßburg
gebrauchte Wendung, die auch begrifflich deutlichen Abstand
zum Verbrechen des „Vergiftens" nimmt.


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