http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2017/0214
Die Auslöschung der jüdischen Gemeinde von Offenburg 213
der Juden recht nüchtern konstatiert, möglicherweise zu viel
gesagt, wenn der Bericht etwas wie „Reue" ausdrücken sollte,
aber zumindest scheint eine Spur von Bedauern enthalten zu
sein, die den Rat dazu anhielt, das im Dezember 1348 veranlasste
Vorgehen gegen die Offenburger Juden als vorschnell
begangenes Unrecht zu umreißen, basierend auf durch Folter
erpressten Geständnissen, die sich im Nachhinein als falsch
herausgestellt hatten. Gleichzeitig erscheint der Bericht, der am
Ende explizit von einer weiteren Beschuldigung der Straßburger
Juden Abstand nimmt, als eine Warnung an die Straßburger
Kollegen, ihre Entscheidung über den Umgang mit ihrer
jüdischen Gemeinde nicht von Gerüchten oder bösartigen
Anschuldigungen abhängig zu machen, sondern eine gründliche
Untersuchung durchzuführen. Mag sein, dass der Offenburger
Rat mit dem Eingeständnis fehlender Beweise einer
Brunnenvergiftung auch sich selbst von einer Schuld freisprechen
wollte, doch ist sie hier zugleich Warnung an den Straßburger
Rat, es besser zu machen.
Juden Schuol und judengasse -
Spuren der jüdischen Gemeinde nach ihrer Auslöschung
Sofern diese Interpretation des Berichts zutrifft, dürfen wir
möglicherweise auch davon ausgehen, dass zumindest nach
der Feststellung der Unschuld der Juden durch die Untersuchung
des Brunnens eine wohl zuvor vorhandene judenfeindliche
Hysterie in den Monaten ab Januar und Februar 1349
deutlich abgeebbt sein dürfte, die auf Entspannung ausgerichtete
Zielsetzung des Berichts vielleicht auch der Atmosphäre in
der Stadt entsprochen haben wird, also in der Folge gar kein so
judenfeindliches Klima mehr bestanden hatte, wie bislang angenommen
wurde. Dies könnte entsprechend auch dazu geführt
haben, dass sich in den folgenden Jahrzehnten wieder
Juden oder gar eine jüdische Gemeinde in Offenburg angesiedelt
hatte. Selbiges ist für mehrere Städte, die 1348/49 heftige
Judenpogrome erlebten, belegt, etwa in Freiburg seit 136041
oder auch in Rottweil seit 1377.42 Für Offenburg liegen uns
keine Informationen über eine derartige Wiederansiedlung
vor. Allerdings könnte der Beleg einer an eine Judengasse angrenzenden
Juden Schuol, also einer Synagoge, in Offenburg im
Jahr 139243 vielleicht doch auch auf eine zu dieser Zeit lebendige
jüdische Gemeinde hinweisen, und nicht - wie bisher allgemein
angenommen - nur die Reminiszenz an die ehemalige
Funktion sein, die dieses Gebäude bis zum Progrom von 1348
gehabt hatte.
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