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246 Karl-August Lehmann
der Verf.) oder bettler lenger nit den über nacht hausen oder herber-
gen oder besonder die mißglaubigen, sie mit den secten des wider-
thauffs beladen oder behaft, gentzlich weder gehör noch uffenthalt
geben bei einer straf 10 lib. (damals gängige Währung, 5 lib.
entsprachen ungefähr einem Gulden; der Verf.).11
Diese Anordnung zeigt, dass im Reichstal Harmersbach
immer noch Anhänger dieser religiösen Überzeugung zu finden
waren. Konkret ging es wohl um das damals dort ansässige
Ehepaar Lemperlin mit seinen beiden Söhnen Jakob und Andreas
. Die Eltern sollen immer gute und gehorsame Christen
gewesen sein. Als Vater Lemperlin eines Tages einen Brunnenmacher
verdingte, soll dieser die beiden Söhne angeblich mit
der Lehre der Wiedertäufer verführt haben. Obwohl beide bis
dahin beim Pfarrer in die Schule gegangen und gute Christen
waren, mieden sie seit dieser Zeit Gottesdienst und Sakramente
und wann sie etwan über den kirchhoff gangen undt man in der
kürchen gewesen, haben allwegen den hut auf das ohr geruckht
damit sie den pfäffen nit hörendt.12
Als 1571 der damalige Pfandherr Junker Hans Georg von
Seebach die Huldigung der Talbürger entgegen nehmen wollte,
sonderten sich die beiden ab und verweigerten sich deß wieder-
tauffs halber glipt und aide zu thuen ... sonder bereget, sie bey ja
und nein zu lassen wollen sie es besser halten dan andere mit dem
jurament, auch sonsten mit hoch und niedern dinen sich allzeit gehorsamlich
erzaigen.
Junker Hans erteilte daraufhin dem amtierenden Vogt Michel
Lehmann den Befehl, die Brüder wegen Ungehorsams mit
je 20 Pfund zu bestrafen und drei Wochen einzusperren. Dies
wurde jedoch nicht ausgeführt, obwohl Jakob und Andreas
Lemperlin mehrmals die Geldstrafe entrichten bzw. die Ge-
fängsnisstrafe antreten wollten. Man sah jetzt eher die Gelegenheit
, die aufmüpfigen Brüder loszuwerden und verwies sie
binnen 14 Tagen des Tales.13
Im folgenden Jahr erkrankten die Eltern Lemperlin {die pes-
tilentz innen ist zu Hauß khommen undt das volckh gestorben und
hinweg gangen undt sie selbs mit behafft sind worden) und verstarben
kurz darauf. Ihr Wunsch war, dass ihre beiden Söhne zurückkommen
sollten, um ihnen in der Stunde des Todes beizustehen
. Trotz des Verbotes, das Tal jemals wieder zu betreten,
kehrten Jakob und Andreas zurück.
Junker Hans ließ sie ergreifen und für fünf Wochen festsetzen
. Um ihren guten Willen zu betonen, wandten sich die
beiden Brüder an die Obrigkeit: dan wan unß gott darvon hilfft so
wollen wir unß bürgerlich halten mit fronen, hagen und jagen mit
Steuer undt schatzungh oder wo feuer außging undt auffsoliche weiß
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