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Heinz G. Huber
mit der Bündischen Jugend vereinigte. Abetz wurde von der
Grenzlandsituation Badens geprägt, er erlebte die Bombenangriffe
auf Karlsruhe mit und die von ihm als deutschfeindlich
empfundene Besatzungspolitik Poincares. Als Kunststudent
begeisterte er sich andererseits unter dem Einfluss seiner Lehrer
für französische Kunst, stand unter dem Einfluss des Literaturwissenschaftlers
Adolf von Grolmann und las Romain Rollands
„Mahatma Gandhi". Seinen rhetorischen Fähigkeiten und seinem
Charisma verdankte er 1927 die Wahl zum Vorsitzenden
der Arbeitsgemeinschaft Karlsruher Jugendbünde.
Nach der Entspannung des deutsch-französischen Verhältnisses
mit dem Vertrag von Locarno und dem Wirken der Außenminister
Aristide Briand und Gustav Stresemann entstand
auch in der Jugend beider Länder ein wechselseitiges Interesse
an Kontakten.13 Otto Abetz und sein Freund Friedrich Bent-
mann fuhren an Ostern 1930 nach Paris, um direkten Kontakt
aufzunehmen und zu einem Treffen in den Schwarzwald einzuladen
. Mit Jean Luchaire, dem Herausgeber des seit 1927 erscheinenden
Organs „Notre Temps", fanden sie den idealen
Partner. Der 1901 in Siena geborene Sohn eines Literaturprofessors
widmete sich früh dem Journalismus mit dem Schwerpunkt
Außenpolitik.14 Im Ersten Weltkrieg hatte sich Luchaire
für Pazifismus und Völkerverständigung eingesetzt, nachdem
er als Helfer in einem Lazarett bei Grenoble den Anblick verstümmelter
und sterbender Soldaten ertragen musste. Verbittert
musste er nach Kriegsende feststellen, dass kein Neuanfang
erfolgte, sondern neuer Hass geschürt wurde. In „Notre Temps"
veröffentlichte er Visionen eines europäischen Zusammenschlusses
und erfreute sich seit 1928 der finanziellen Förderung
des Außenministers Briand.
Luchaire und Abetz kamen überein, Ende Juli eine deutschfranzösische
Jugendbegegnung zu initiieren. Auf den Konferenzen
von Haag im August 1929 und Januar 1930 war die
Räumung der restlichen noch besetzten Gebiete, darunter dem
Kehler Brückenkopf, vereinbart worden. Am 30. Juni 1930 wurden
die letzten Okkupationstruppen abgezogen; die Jugendbegegnung
, die in der als Schullandheim Kehls genutzten Jugendherberge
stattfinden sollte, sollte ein demonstrativer Neuanfang
in den deutsch-französischen Beziehungen sein.
Luchaire bereitete publizistisch das Treffen vor, indem er die
Aufmerksamkeit von „Notre temps" durch entsprechende Artikel
auf Deutschland lenkte. Er warb in der Ausgabe vom
30. Juni 1930 für das Treffen und wurde dabei vom „Groupe-
ment universitäre" unterstützt, das Anmeldungen entgegennahm
.15
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