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Das Jugendtreffen 1930 auf dem Sohlberg
gen. Die Nationalhymnen klangen auf, Sprecher fassten das
Ergebnis des Treffens noch einmal zusammen und legten im
Namen der Teilnehmer das Gelöbnis ab, die begonnene Arbeit
nicht eher ruhen zu lassen, bis die gesamte junge Generation
der beiden Länder und durch sie das deutsche und französische
Volk den Weg zu einer dauerhaften und echten Verständigung
gefunden hätten/'25
Nach den Vorstellungen der Organisatoren sollten die Teilnehmer
freimütig miteinander reden können und dabei „weder
den Zwängen ihrer nationalen Anschauungen ausgesetzt sein
noch der Versuchung einer (...) pazifistischen Verbrüderungseuphorie
erliegen". Man wollte kein deutsch-französisches affektiv
besetztes „rapprochement" auf der Ebene der Völker,
pflegte aber doch eine „gemeinschaftsbildende Lagerfeuerromantik
". „Man gab sich frei von herrschenden nationalen
Ideologien und blieb im Grunde doch ihr Gefangener."26 Nur
so lässt sich das scheinbar paradoxe Resümee im zeitgenössischen
Zeitungsbericht der Badischen Presse über die Sohlberg-
Tagung verstehen: „Selten wohl hat sich Jugend so stark als
Deutsch, so stark als Französisch gefühlt als auf dem Sohlberg,
wo sie im Wesen des fremden Volkes ihre eigene Zugehörigkeit
empfand."27 Der Sohlbergteilnehmer Arnold Bergstraesser hatte
in seiner Schrift „Sinn und Grenzen der Verständigung zwischen
Nationen"28 diese Ambivalenz so beschrieben: „Kulturelle
Verständigung kann nichts anderes heißen, als das Fremde
in seiner Sonderart zu ergreifen und in der Begegnung mit ihm
die selbstverständliche Geltung des Eigenen um so stärker
wirksam werden zu lassen" (S. 79). Immerhin sah ein anderer
Journalist auch Ansätze zur Überwindung des klassischen Erbfeinddenkens
, wenn er seinen Bericht über das Sohlbergtreffen
mit dem Satz beschließt: „Man hat sich kennen und achten
gelernt; man hat bei seinem ehemaligen Feind den Menschen
entdeckt."29 Mehr noch: Es entstanden Freundschaften und
Verbindungen. So wurden seit dem Sohlbergtreffen regelmäßig
jeden Winter im Schwarzwald deutsch-französische Skilager
veranstaltet.30 Und Otto Abetz heiratete 1932 die Französin
Suzanne de Bruyker, Luchaires Sekretärin, die er 1930 auf dem
Sohlberg kennengelernt hatte.
Neun Monate nach dem Sohlbergtreffen verfasste Abetz
eine Denkschrift über die Jugendbegegnung, die er an das
Reichsministerium des Innern, den badischen Staatspräsidenten
und das badische Kultusministerium sowie den Reichsaus-
schuss deutscher Jugendverbände sandte. Darin bekennt er sich
zur „Grenzlandarbeit der bündischen Jugend", nämlich die
„Beeinflussung vor allem junger Ausländer zu Gunsten der
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