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Feldpostbriefe - Die Grausamkeiten kommen nicht vor 329
Die Briefe sind Zeugnis der Person und persönliche
Dokumente der Beziehung, die durch den gewaltsamen
Tod nicht auf natürliche Weise beendet wurde.
Auch die Inhalte geben Anlass, das Gedenken auf
besondere Weise zu bewahren.
Vieles ist schon verloren gegangen oder achtlos
entsorgt worden. Die umfangreichsten Sammlungen
befinden sich in in- und ausländischen Archiven.
Etliche wissenschaftliche Publikationen sind auf der
Grundlage dieser Sammlungen entstanden. Fakt ist, dass die
Stimme der Kriegsgeneration erstirbt. Die hinterlassenen
Briefe sind die einzigen Zeugnisse, die den O-Ton jener Zeit
wiedergeben. Auch die einfachen Soldaten haben Spuren im
Räderwerk der Geschichte hinterlassen. Anhand derer lassen
sich Ereignisse des Krieges und ihre subjektive Wahrnehmung
nachzeichnen. Zunächst waren es Volkskundler, die Feldpost
zusammentrugen und archivierten. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts
geriet sie in das Blickfeld der Forschung. Feldpostbriefe
sind Zeitzeugnisse. Sie erlauben uns einen Einblick in
Umstände, die viele andere Menschen in jener Zeit ähnlich
erlebten. Wir lernen diejenigen kennen, die unsere Geschichte
mit ihren Geschichten gestaltet haben. Feldpostbriefe
haben eine eigene Faszination, stehen sie doch an
einem Schnittpunkt von sehr persönlichen und privaten Erlebnissen
und Erfahrungen mit weltgeschichtlichen Ereignissen
.2
Abb. 2: Sondermarke
von 1944 „Feldpost
im Osten":
Feldpostbeamter mit
Postbeutel, im
Hintergrund ein Bus
der Kraftpost.
Mit der „Bismarck" auf großer Fahrt
Karl Maier, Jahrgang 1919, vom Einet, gelernter Schlosser und
Fähnleinführer, meldete sich freiwillig zur Kriegsmarine.
Seine Ausbildung begann im April 1940 an der Ostsee, vermutlich
auf dem ehemaligen KdF-Kreuzfahrtschiff „Wilhelm
Gustloff". Zur Schulung auf dem neuen gewaltigen Schlachtschiff
„Bismarck" wird er Anfang August in die Hansestadt
Hamburg abkommandiert. Militärische oder marinetechnische
Einzelheiten erfährt der Leser nicht. Aus seinen Zeilen
spricht eine große Portion Stolz und Begeisterung. Er war
mitverantwortlich für die riesigen Maschinen. Ein einfacher
Kinzigtäler Bursche wurde in einem strengen Auswahlverfahren
bei der Marine angenommen. Es gefällt ihm rundherum:
die Hafenstadt mit ihren Vergnügungs- und Freizeitmöglichkeiten
, das kulturelle Angebot, die Mädels, die gute Verpflegung
, der großzügige Sold (bei Feindfahrt 180 RM monatlich)
usw. Von seinem Überfluss schickt er Geld, Lebensmittel- und
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