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Feldpostbriefe - Die Grausamkeiten kommen nicht vor
„Wenn einmal die Glocken Großdeutschlands den Sieg verkünden
, dann sind wir Soldaten nicht mehr lange der Heimat
fern." „... dass es uns gelingt im Süden vor Einbruch des Winters
fertig zu werden ..." In dieser Phase des Krieges haben
selbst wenige hohe Offiziere das Scheitern des Ostfeldzuges
erkannt und auch zur Sprache gebracht. Der einfache Soldat
konnte den Einblick in die militärische Gesamtlage nicht
haben bzw. die Propaganda hat ihn fehlgeleitet.
Klatsch und Tratsch
Offensichtlich waren die Befindlichkeiten des Steinacher Ortsgruppenleiters
, Bürgermeister-Stellvertreters und Sanitäts-
Unteroffiziers Josef Moser von gesteigertem Interesse. Bis in die
Schützengräben in der Sowjetunion hatte es sich herumgesprochen
, dass er sich häufig auf Urlaub befand, während der
gemeine Landser, trotz hartem Fronteinsatz, bis zu vierundzwanzig
Monate auf den Urlaubsschein warten musste. Aus
den Presseberichten des Kinzigtäler Anzeigers kann man erkennen
, dass er ab Mitte 1941 bei Veranstaltungen der Partei
kaum noch in Erscheinung tritt. Mit Missgunst und Häme
wurde Mosers Stellung als Leiter der Abteilung „Elektrische-
Medizin-Massage-Heilgymnastik" im Standortlazarett Tübingen
kommentiert. Dort war er unersetzlich und daher unabkömmlich
für die Front. Im Dritten Reich war es kein Einzelfall
, dass sich Funktionsträger mithilfe der Partei aus der
Schusslinie brachten und noch ihrem Beruf nachgehen konnten
.
Ins Gespräch brachten sich auch Soldatenfrauen, deren
wirtschaftliche Situation sich verschlechterte, weil ihre Männer
im Felde standen. Sie beschwerten sich dann lautstark bei
den Angestellten auf dem Rathaus, was ein Briefschreiber so
kommentierte: „... den Russenweibern haben wir mehr Respekt
beigebracht." Tatsächlich ist es belegt, dass Zahlungen, die für
eine Soldatenfrau und Mutter bestimmt waren, auf dem Amt
unterschlagen wurden. Gelegentlich wurde der Gemeinderechner
bei der Berechnung der Unterstützung für die Ehefrauen
um Hilfe gebeten. „Denn wenn man als Soldat seine Pflicht tut,
dann sollte man auch als Mensch behandelt werden", begründete
das ein Bittsteller.
Neuigkeiten über Steinacher Wehrmachtsangehörige waren
ein wichtiges Thema: Wer hatte wen wo getroffen, von wem
gab es Feldpost, wer hatte das Glück auf Urlaub zu sein, wer war
gerade im Lazarett oder welche Kameraden sind heil aus einem
Gefecht herausgekommen. Es war nicht ungewöhnlich, wenn
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