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Die Gemeinde Nordrach und das Lebensbornheim ..Schwarzwald
noch vor ihrer Entlassung aus dem Heim, somit lag die Säuglingssterblichkeit
im Heim „ Schwarzwald" bei niedrigen
1,25 Prozent. Lediglich für einen Todesfall liegt eine medizinische
Begründung vor: Das Kind war mit einer Nabelschnurumschlingung
scheintot geboren worden.80 Die Wiederbelebungsversuche
waren vorerst erfolgreich, „doch blieb das Kind weiter
leicht blausüchtig"81. Nachdem es am nächsten Morgen getrunken
hatte, stellten sich sofort schwere Atembeschwerden
ein und gleichzeitig verstärkte sich die Blausucht. Da sofortige
Gegenmittel nicht halfen, wurde der Säugling in die Straßburger
Kinderklinik der Reichsuniversität gebracht, wo er noch am
gleichen Tag, am 8. August 1943, um 18:30 Uhr verstarb.82 Die
Leichenöffnung ergab einen Riss in der Hirnhaut mit Hirnblutung
, „entstanden durch den Durchtritt des Kopfes durch das
knöcherne Becken."83 Die Geburt war spontan, ohne Eingriff,
erfolgt. Die Genehmigung zur Beisetzung des Säuglings in
Straßburg wurde von dem Polizeipräsidenten erteilt.84
Alltag im Lebensbornheim
Der Alltag im Heim „Schwarzwald" wurde ausnahmslos ideologisch
von der SS bestimmt und kontrolliert. Das Reglement der
SS im Nordracher Lebensbornheim reichte bis in die persönlichsten
Bereiche. Für jede Mutter wurde ein geheimer RF-
Fragebogen, mit Einsicht durch Himmler persönlich, angelegt.
Darin wurden sämtliche persönlichen Daten der Schwangeren
ausführlich dokumentiert. Diese umfassten u. a. das „rassische
Erscheinungsbild", die weltanschauliche Einstellung, das Verhalten
im Heim sowie während der Schwangerschaft und Geburt
, Stillwillen und Stillfähigkeit und die Einstellung zum
Kindesvater. Anhand dieser Datensammlung wurde abschließend
beurteilt, ob die Kindesmutter den Ausleseprinzipien der
SS entsprach. Die RF-Fragebögen der Nordracher Mütter sind
jedoch nicht überliefert.
Der Tagesablauf der Mütter im Heim „Schwarzwald" war
genau strukturiert. Neben kleineren Arbeiten im Haus, wie
Salat putzen oder Babywäsche zusammenlegen, war die Einnahme
der Mahlzeiten ebenso festgelegt wie die täglichen
Stillzeiten um 6 Uhr, 9.15 Uhr, 12.45 Uhr, 16.45 Uhr und
20.45 Uhr.85 Alle Schwestern waren dazu angehalten, die Mütter
dahingehend zu beeinflussen, dass sie ihre Kinder selbst
stillten und nicht ohne Grund abstillten. Der Stillpflicht
musste ausnahmslos nachgekommen werden, sofern dem nicht
gewichtige gesundheitliche Gründe der Mutter im Wege standen
. Außerhalb der Stillzeiten hatten die Mütter keinen Kon-
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