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Die Gemeinde Nordrach und das Lebensbornheim „Schwarzwald"
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„Für Wehrmachtsangehörige im Urlaub wirkte das SS-Heim
wie ein Magnet, wenn sie schon im Krieg waren, wollten sie
freie Wahl haben."156 Gleichzeitig wies er darauf hin, dass es für
junge Nordracher eine der wenigen Gelegenheiten gewesen sei,
ein Mädchen kennenzulernen, das nicht aus Nordrach
stammte. Zwei auswärtige Vor Schülerinnen heirateten nach
dem Krieg auch gebürtige Nordracher.
Mit Kriegsende wollte man in Nordrach die Existenz des
Lebensbornheimes am liebsten für immer vergessen. Es wurde
nicht mehr darüber gesprochen, wohl auch nicht innerhalb
des Dorfes. Lediglich die Nordracher Angestellten sprachen
untereinander noch über ihre ehemalige Arbeitsstelle. Auch
Frau J., welche 1949 nach Nordrach zog und noch rund neun
Monate in der Pouponniere arbeitete, bestätigte, dass die Bevölkerung
nicht über den Lebensborn sprach: „Darüber unterhielten
sich eigentlich nur die, welche dort gearbeitet hatten/'157
„Da ist nie darüber gesprochen worden" ist einer der häufigsten
Sätze, welche auch heute noch von Nordrachern und
Bewohnern der umliegenden Dörfer und Städte, in Zusammenhang
mit dem Nordracher Lebensbornheim geäußert werden.
Dies schlug sich auch im Sprachgebrauch nieder: Das Gebäude
wird entweder „Rothschild", „beim Zajac" oder schlichtweg
„da oben" genannt.
Noch in dem ersten Heimatbuch der Gemeinde Nordrach,
welches anlässlich der 850-Jahr-Feier der Gemeinde Nordrach
im Jahr 1989 erschien, wurde das Nordracher Lebensbornheim
mit keinem Wort erwähnt.158 Die Bereitschaft, über das
Lebensbornheim zu sprechen, war seitens der Angestellten
aber durchaus vorhanden. Die ehemalige Vorschülerin Erika
Oehler beispielsweise wurde 1991 für eine Fernsehsendung im
Südwest 3 interviewt. Der Film von Christel Koerner wurde
unter dem Titel Ebbes. Das Tal, das Klima, die Gäste am 14. September
1991 gesendet.159 In diesem Film wurde die Geschichte
des St. Georgs-Krankenhauses näher beleuchtet und auch die
Jahre 1942 bis 1945 untersucht.160 Im Jahr 2001 wurde Erika
Oehler im Rahmen einer vierminütigen SWR-Hörfunksendung
Kultur in Baden-Württemberg161 erneut interviewt. Offensichtlich
wurde dieses Interview zusammengeschnitten, denn
es fällt auf, dass sich nahezu alle Äußerungen Oehlers inhaltlich
deutlich von ihrem ersten Interview unterschieden. Ob
sie ihre Erinnerungen nach zehn Jahren anders formulierte
oder ob sie nur das sagte, was gegebenenfalls von ihr gehört
werden wollte, bleibt unklar.
Auch der Journalistin und Buchautorin Dorothee Schmitz-
Köster gab Oehler ein Interview,162 was zeigt, dass sie gesprächs-
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