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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
97. Jahresband.2017
Seite: 364
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Dorothee Neumaier

bereit war, wenn sie denn kontaktiert wurde. Die Antwort einer
Nordracher Vorschülerin gibt Anlass zu der Vermutung, dass
die ehemaligen Angestellten in Nordrach nicht nach ihren Erinnerungen
gefragt wurden: „Ja, wenn mich jemand gefragt
hat... Herr Oswald war ja einmal da163 ... Meiner Tochter habe
ich es erzählt, es war ja keine Schande, dass ich dort gearbeitet
hatte/'164 Auch die ehemalige Küchenhilfskraft zeigte sich gesprächsbereit
und traf die Verfasserin, neben dem Interview, zu
mehreren Gesprächen.

Die mediale Darstellung des Lebensborn als Bordell für SS-
Männer und Zuchtanstalt prägte nahezu vier Jahrzehnte die
öffentliche Erinnerungskultur. Erst Mitte der 1980er Jahre erschien
Georg Lilienthals Standardwerk,165 eine erste umfassende
wissenschaftliche Studie über die SS-Institution. Dennoch
fanden die Berücksichtigung des Themenfeldes Lebensborn
und die Integration autobiografischer Berichte von Lebensbornkindern
in die Erinnerungskultur erst erheblich
verzögert im neuen Jahrtausend statt.166 Diese verspätete Aufarbeitung
war zweifelsohne ursächlich für die jahrzehntelangen
falschen Vorstellungen über den Lebensborn. Neben der medialen
Aufbereitung waren sicherlich oral tradierte Berichte in
der Bevölkerung ausschlaggebend für die Problematik hinsichtlich
der Erinnerungskultur. Es ist anzunehmen, dass sich
einige Gerüchte und Mythen bereits während des Dritten Reiches
manifestierten. Daher entsteht der Eindruck, als wäre es
gerade dem Teil der Nordracher Bevölkerung, der wenig bis
nichts über den Lebensborn wusste, sondern ihn vielmehr für
ein „Edelbordell" oder eine „Zuchtanstalt" hielt, wichtig gewesen
, das Schweigen zu bewahren. Gleichzeitig scheint viele
Jahrzehnte lang niemand versucht zu haben, die ehemaligen
Angestellten zu befragen. Acht Angestellte waren in Nordrach
wohnhaft, eine ehemalige Vorschülerin und eine Saaltochter
wurden dort sesshaft. Zudem war eine weitere Vorschülerin
zumindest kurzfristig dort wohnhaft. Ergänzend hätten die
Dorfhebamme Kempf und Waschfrauen von dem Alltag im
Heim „Schwarzwald" erzählen können. Insofern ist es bedauerlich
, dass diese lebensgeschichtlichen Erinnerungen nicht dokumentiert
wurden. Dennoch bleibt abschließend festzuhalten
, dass neben den noch lebenden ehemaligen Angestellten
auch - bis auf eine Ausnahme - alle Angehörigen der Nordracher
oder in Nordrach sesshaft gewordenen Angestellten ge-
sprächs- und auskunftsbereit waren und das Entstehen dieser
Studie unterstützten.


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