Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
97. Jahresband.2017
Seite: 398
(PDF, 82 MB)
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398 Wolfgang M. Gall, Carmen Lötsch

Migrantengruppen Teil der gesamtstädtischen Erinnerungskultur
werden können.

Hier stellen sich die Fragen: Inwieweit wollen wir diese Erinnerungen
als Teil unseres kollektiven Gedächtnisses zulassen?
Wie können sie mit dem Vorhandenen verknüpft werden?
Dabei ist zu berücksichtigen, dass Erinnerungen, insbesondere
Erinnerungen von starker emotionaler Bedeutung, von den
Betroffenen nicht einfach beiseitegelegt werden können. Je
größer die Emotion (und bei Krieg, Flucht und Vertreibung
können wir eine extrem starke Emotion voraussetzen), desto
stärker und nachhaltiger die Erinnerung.

Das Offenburger Museum im Ritterhaus konnte mit mehreren
Sonder-Ausstellungen zum Thema Migration bereits erste,
positive Erfahrungen sammeln.

Eine Erinnerung, die Flüchtlinge und Asylsuchende miteinander
, aber mit den meisten von uns nicht teilen, ist eine sehr
starke Verlusterfahrung: Heimatverlust, Verlust von geliebten
Menschen. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg ist es in
Deutschland gelungen, die Verlusterfahrung der Heimatvertriebenen
zu institutionalisieren. Der (im Übrigen sehr kontrovers
geführte) Diskurs dauerte noch bis weit in die neunziger
Jahre hinein.

Gruppen, die später nach dem Zweiten Weltkrieg in unsere
Stadt gekommen sind, haben ihre eigene(n) Geschichte(n) mitgebracht
. Diese werden mündlich tradiert und in den Familien
und Gemeinschaften weitergegeben. Sie sind gegenwärtig als
Teil der Erinnerung unserer Stadtgesellschaft jedoch kaum
sichtbar und uns oft gar nicht bekannt oder zumindest nicht
bewusst. Dies betrifft in hohem Maße die Gruppe der sogenannten
„Russlanddeutschen", die vor allem seit den achtziger
Jahren (zurück) nach Deutschland gekommen sind. Gleiches
gilt aber auch für die ehemaligen „Gastarbeiter/innen". Diese
Gruppen haben heute oft das Gefühl, nicht „ganz" dazuzugehören
. Es wird daher Zeit, dass wir ihre ganz persönliche(n)
Geschichte(n) als das betrachten, was sie tatsächlich sind: Ein
Teil unserer Stadtgeschichte.

Viele Menschen, die gegenwärtig als Flüchtlinge zu uns
kommen, wird dies in Zukunft ebenfalls betreffen. Wir werden
uns künftig ganz bewusst stärker auch um Geschichte(n) kümmern
, die diese neuen Bevölkerungsgruppen mitbringen. Nur
wenn deren Erfahrungen und Erlebnisse auch gehört werden,
können wir in absehbarer Zukunft mit einem Verständnis unserer
„einheimischen" Geschichte und Kultur rechnen. Durch
die gemeinsame Auseinandersetzung mit unterschiedlichen
Erfahrungen kann Integration gelingen.


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