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Martin Ruch
1
OHo Lohmiillti
30.3.1382
Schachmeister Emil
Josef Diemer, Öl auf
Leinwand, von Otto
Lohmüller, 1982
ihn hier und fertigte Zeichnungen an im
Gespräch mit ihm.
Schach war sein Leben, sagte seine
Schwester. Geboren wurde er in Radolfzell
, die Schule besuchte er in Karlsruhe.
Dort hat er auch sein Abitur gemacht,
hat aber danach keinen Beruf ausgeübt.
Überhaupt: ohne helfende Hände wäre
er wohl überhaupt nicht über die Runden
gekommen. Er starb verschuldet, die
Schwester hat das Erbe (die Schulden
also) ausgeschlagen.
1931 war Diemer der NSDAP beigetreten
und er wäre gern in die SA aufgenommen
worden, was aber nicht
klappte. Er betätigte sich in der Folge als
Schachkorrespondent im Reich und veröffentlichte
1943 in der „Deutschen
Schachzeitung" auch Aufsätze über das
„lahme und feige jüdische Schach" im Vergleich zum „deutschen
Kampfschach" (aus: Der Spiegel, 24.3.2016). Nach dem
Krieg hat er, wohl in den 1960er Jahren, jenes Erlebnis gehabt,
das die einen als Ausbruch einer Schizophrenie ansehen, die
anderen als religiöses Erlebnis (er hielt sich für die Reinkarna-
tion des Erzengels Gabriel). Von nun an widmete er für Jahre
seine ganze Kraft dem Entschlüsseln geheimer Botschaften, die
sich hinter den Dingen, auch hinter den Zahlen verbargen und
nur dechiffriert zu werden brauchten.
Er konnte sich dabei auf eine jahrtausendealte Tradition
berufen. Die jüdische Kabbala, die griechisch-römischen Weissagungen
, die mittelalterlichen Visionen einer Hildegard von
Bingen, vor allem Nostradamus - sie und viele, viele andere
hatten versucht, die Welt als verschlüsselte Botschaft zu sehen,
zu lesen und zu deuten. Berühmt geworden ist eine Bibelstelle
in der Apokalypse des Johannes, wo der Antichrist als Zahl
angegeben ist! Endlos viele kleine und große Geister haben
diese Zahl zu deuten versucht. Auch im Offenburger Museum
im Ritterhaus befindet sich eine derartige Rechnung aus der
Zeit der französischen Revolution, die Frankreich zum bösen
Tier, dem Antichrist also, erklärt! Revolution und Kirchenstür-
merei, das war im katholischen Reichsstädtchen des Jahres
1789 natürlich der Inbegriff allen Schreckens.
Von der Richtigkeit seiner Berechnungen war Diemer felsenfest
überzeugt. Sie brachten ihn schließlich erst nach Emmendingen
ins Landeskrankenhaus, dann ins Pflegeheim: Bei
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