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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
98. Jahresband.2018
Seite: 39
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Kriegsende und Neubeginn in der „Provinz" 1917-1919: Das Beispiel Schiltach

Verteilt wurden die abgelieferten Tiere auf drei Abnehmer.
Den größten Teil nahm die kriegführende Armee ein. Der
zweite Teil ging an ein jeweils mit zu versorgendes Stadtgebiet.
Für den Amtsbezirk Wolfach war das die Industriestadt Pforzheim
. Der dritte Teil blieb hier. Dieser Teil wurde aber immer
kleiner. Weihnachten 1916 standen für die Woche vom 25. Dezember
bis 1. Januar 1917 jedem erwachsenen Schiltacher 300
Gramm tierische Fette, Wurst und Fleisch zur Verfügung, für
Kinder war die Hälfte vorgesehen. Im April 1917 verringerte
sich der Wert auf 250 Gramm für Erwachsene pro Woche, im
September 1917 war der Tiefpunkt mit 110 Gramm pro Erwachsener
erreicht. Beruhigend versprach die Gemeindeverwaltung
: „Es ist dafür Sorge getragen, dass jede Familie ihre
zugeteilte Fleischmenge erhält, der Andrang vor den Metzgereien
kann daher unterbleiben."7 Der einschränkende Lieferhinweis
: Lieferung „wenn möglich", war mehrfach zu lesen.
Oftmals war wohl der angedeutete Andrang vor den Metzgereien
doch zwingend, weil die Letzten in der Schlange nichts
mehr erhielten. Manche Woche wurde in Verschärfung der
Regelung von 1915 direkt zur „fleischlosen" erklärt.

Das Versorgungssystem geriet nicht allein materiell, sondern
jenseits des Versprechens „deutscher Gründlichkeit" auch organisatorisch
an seine Grenzen. So gaben nicht nur der Einzelhandel
, sondern auch Betriebe Nahrung aus. 1917 verteilten Karlin
oder auch die Sägerei Heinzelmann an die Schiltacher, nicht allein
an die eigenen Mitarbeiter, in einem Fall 100 Gramm Fett.
Das System funktionierte dabei nicht reibungslos. In diesem Fall
wurde nicht allein mit Fettkarten, sondern auch mit Eierkarten
abgerechnet.8 Leider lässt sich nicht mehr klären, ob hier ein
Ausgleich für zustehende, aber nicht erhältliche Eier erfolgte.

Auch nach Kriegsende setzte sich der Mangel fort. Die illegale
Schwarzschlachtung nahm spürbar zu - ein Zeichen für
die geschwächte staatliche Durchsetzungskraft. So stand Schiltach
1919 vor dem völligen Zusammenbruch der Fleischversorgung
. Die Verwaltung beklagte, dass die Gastwirtschaften besser
versorgt würden als die Ortsbevölkerung. Von ersteren war
legal und illegal ein höherer Preis zu erzielen. Nun kann natürlich
eingewendet werden, dass Fleisch erst um die Jahrhundertwende
als eine Art „Luxusgut" oder „Statussymbol" Einzug in
auch zahlreiche ländliche Küchen fand,9 doch spiegelt die
Fleischsituation nur in besonders drastischer Weise die Ernährungskrise
insgesamt wider.

Erklären lässt sich die schlimme Situation durch die Schwäche
der Landwirtschaft. Als die Jugend an die Kriegsfront geschickt
wurde, herrschten Dünger- und Arbeitskräftemangel.


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