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CQ Andreas Morgenstern
Abb. 10: Einziger
bekannter Stempelabdruck
des Schilt-
acher Arbeiter- und
Soldatenrats vor
seiner Umbenennung
in Volksrat, 1918
von einer revolutionären Stimmung. Im Gegenteil, der Volksrat
formulierte in seinem Nominierungsschreiben unterwürfig:
„Ferner bittet der Arbeiter- und Volksrat das Bürgermeisteramt,
diesen zwei Beisitzern (...) jederzeit Einsicht in die dortigen
Geschäfte (...) zu gewähren."35 Nicht nur wurden Gemeinderäte
lediglich als Beisitzer bezeichnet, der Volksrat beschränkte
sich auf die Bitte der Information durch die bisherige und auch
weiterhin amtierende Verwaltung.
Der Volksrat, bzw. zunächst Arbeiter- und Volksrat, war in
alle Planungen involviert. An seiner Spitze stand im November
1918 der Familienvater Heinrich Georg Sauerbrunn, ein Weber
und Werkmeister - nicht gerade das, was man sich gemeinhin
unter einem Revoluzzer aus der Arbeiterschaft vorstellt. Weitere
Mitglieder waren 1919 Wilhelm Probst, H. Mehnert, Abraham
Aberle, Friedrich Höhn, Johannes Schneider, Georg Faißt,
Conrad Wolber, A. Wolber, Mathias Schmieder, Ludwig Fuchs
und Johannes Hayd. Sie alle übernahmen wertvolle Aufgaben
in der Gestaltung des Übergangs zur Demokratie auf Gemeindeebene
[Abb. 10]. Die Räte waren ein Instrument des Übergangs
, denen mehr an der gerechteren Verteilung der Besitzverhältnisse
als an dauerhafter politischer Macht lag.
Kurzfristiges Handeln prägte anstelle langfristiger revolutionärer
Planungen ihr Wirken.36 Die wichtigste Aufgabe des
Volksrats war 1919 die Unterstützung bei Lebensmittelkontrolle
und -Verteilung. Daneben schützten die Volksräte und Volkswehrmitglieder
Ruhe und Ordnung vor Ort, oder, um Bürgermeister
Wolpert mit Blick auf die tatsächlich umgreifenden
Gewaltbefürchtungen37 zu zitieren, traten „Banden" entgegen.38
Tatsächlich tauchten auch zahlreiche Waffen auf, vor allem
aber ganz offiziell. So konnte die Volkswehr am 6. Dezember
1918 40 „bestellte" Gewehre und ein Maschinengewehr am
Bahnhof abholen. Im gesamten Amtsbezirk Wolfach wurden
670 Gewehre verteilt.39 Die Volkswehren unterstanden der Gemeindepolizei
.40 In den Wochen zwischen dem 15. November
und dem 6. Dezember 1918 hatte die Feuerwehr die Aufgabe
einer „geregelten Nachtwache" übertragen bekommen. Im Januar
1919 waren die Waffen zurückzugeben. Probleme und
Auseinandersetzungen sind nicht überliefert.
Die Aufzeichnungen über die dauernde Mitwirkung bei der
Lebensmittelverteilung verdeutlichen die Existenzdauer des
Schiltacher Volksrats. Die letzte Abrechnung datiert auf den
6. September 1919. Somit arbeitete der Volksrat hier länger als
in vielen anderen Orten Badens.41 Danach hatte die alte Verwaltung
mit einem neu gewählten Gemeinderat wieder das
alleinige Sagen.
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