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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
98. Jahresband.2018
Seite: 52
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C O Andreas Morgenstern

Am 15. Juni 1919 wurde erstmals ein Gemeinderat gleichberechtigt
und sowohl von Männern als auch Frauen gewählt.
777 der 1066 Berechtigten - ca. 75 Prozent - gaben ihre Stimme
ab. Der „Bürgerliche Wahrvorschlag" und die SPD gewannen je
vier Mandate - ein Unentschieden. Vielleicht ganz passend für
eine Zeit, in der die weitere Entwicklung zwischen Bewahrung
der kapitalistisch-bürgerlichen Ordnung und umfassender Sozialisierung
nicht klar war. Im Unterschied zu den unentschiedenen
Mehrheitsverhältnissen fällt dann aber doch auf, dass
nach der Wahl der Gemeinderat mit Ausnahme von Wilhelm
Wolber und Georg Aurely nur aus Neugewählten bestand.
Dazu trat dann Bürgermeister Wolpert, der erst 1920 zur Wiederwahl
stand.

In der Nachbarschaft war die Kontinuität aber noch weit
ausgeprägter. In Lehengericht fiel die Gemeinderatswahl aus.
Hier gab es nur sechs Kandidaten für ebenso viele Mandate -
die Wahl wurde kurzerhand abgesagt. „Gewählt" waren vier
Landwirte, ein Gastwirt und ein Säger [Abb. II].44 Weitere Le-
hengerichter waren offenbar nicht zur persönlichen Übernahme
politischer Verantwortung bereit. Der Bürgermeister
blieb auch hier im Amt. Für die Landgemeinde Lehengericht
überwog noch stärker als für Schiltach das Element der Kontinuität
gegenüber den Veränderungen in der revolutionären
Zeit.

Sichtbar wird der Erhalt vorrevolutionärer Strukturen auch
auf der ökonomischen Ebene. Mancher Händler profitierte von
der Abrüstung der Armee nach Kriegsende. Nichtmilitärisches
Gut kam in den Handel - wovon u. a. die Geschäfte Stählin,
Bühler, Wöhrle oder Homberg durch günstige Ankaufspreise
profitierten.45 Das Geschäft dürfte einträglich gewesen sein.
Mit Sicherheit waren Fahrradreifen ein Verkaufsrenner - im
Krieg waren die unter Strafe von Geldbuße oder gar Gefängnis
bis Februar 1918 eingezogen worden,46 nun tauchten sie in den
Läden wieder auf. Von solchen Geschäften profitierten allein
die Händler, nicht aber die produzierenden Arbeiter und Angestellten
.

Der allumfassende Mangel und entsprechende Bedarf der
abhängig Beschäftigten, aber auch die in vielen Bereichen existierende
staatliche Kontrolle des Handels hatten zwei Folgen:
Einerseits minimierten sie die Risiken des Einzelhandels, andererseits
ergaben sich wirtschaftliche Chancen, die den Arbeitern
und Angestellten nicht offen standen. Für die blieb aber zumindest
die stärkere rechtliche Abstützung der Gewerkschaften
oder der jetzt festgelegte Acht-Stunden-Tag, der jedoch nicht für
die in der Landwirtschaft beschäftigten Schiltacher galt.


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