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Q/C Karl-August Lehmann
Oberharmersbach an der Tagesordnung. Eine Bereicherung
versprachen sich manche durch Schiebereien großen Stils. Vor
allem Schnaps war im Tal ein begehrtes Gut, das zum Teil sogar
mit der Bahn verschoben, allerdings auch hin und wieder von
der Polizei beschlagnahmt wurde. So berichtete die „Schwarzwälder
Post", dass die Menge einer „aufgeflogenen" Schieberei
ausgereicht hätte, daß man ganz Zell a.H. beduselt machen
könntet
Die Lohn- und Preissteigerungen entwickelten sich rasch
weit auseinander. Während die Löhne sich maximal in den
ersten beiden Nachkriegsjahren verzehnfachten, waren die
Preise für manche Produkte um ein Vielfaches davon nach
oben geschnellt. Wer über Naturalien verfügte, stand auf der
besseren Seite des Lebens. Schnaps stieg zur „Ersatzwährung"
auf, oder man ging zum Tausch über.
Im Harmersbachtal war das Brennen von Topinambur
(„Rossler") untersagt. Da aber diejenigen Landwirte, die schon
vor dem Krieg die „Rosskartoffel" anbauten, jetzt wieder dieselben
Flächen so nutzen durften und außerdem jedem Landwirt
10 Liter Weingeist als Haustrunk zustanden, gab es ausreichend
Möglichkeiten, an das begehrte Tauschmittel zu kommen.
Schwarzbrennen und das Zuckern der Maische waren auch
durch hohe Strafen nicht in den Griff zu bekommen.
In jenen Jahren sahen sich die Menschen verstärkt nach
anderen Nahrungsquellen um, wie ein Regierungserlass vom
03.02.1921 belegt. Zur Verhütung von Tierquälerei wurde untersagt
, beim Fang der Frösche Rechen und dergleichen zu benutzen
. Kindern unter 14 Jahren war das Fangen verboten, außerdem
durften die Beine erst nach dem Töten der Frösche
vom Rumpf getrennt werden.35
Was bisher an Preissteigerungen zu spüren war, schien nur
ein harmloses Vorgeplänkel zu sein für das, was sich im letzten
Quartal 1922 und vor allem im Jahr 1923 abspielte. Glaubte der
Eine oder Andere anfangs noch mit „Galgenhumor" das Problem
überspielen zu können - Die Postgebühren sollen fortan nur
noch jeden dritten Tag erhöht werden'6 -, die Realität hatte auch
diese vermeintlich lustigen Zeitgenossen bald eingeholt.
Der Verfall des Wertes der Mark an den Devisenmärkten
beschleunigte sich, der US-amerikanische Dollar und der
Schweizer Franken erreichten astronomische Höhen im Vergleich
zur Mark.
Die Besetzung des Ruhrgebietes durch französische und
belgische Truppen im Januar 1923 beschleunigte die Entwertung
der Mark um ein Vielfaches. Jetzt fehlte nicht nur ein
wichtiger Energierohstoff in ausreichender Menge, der durch
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