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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
98. Jahresband.2018
Seite: 92
(PDF, 96 MB)
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Ute Scherb

„Scherers", das längst untergegangene Gasthaus „Zum Ritter".
Nückles war ein sehr aufmerksamer Zeitgenosse; er sog die neuesten
Nachrichten, die er entweder bei der Arbeit aufschnappte,
der Zeitungslektüre entnahm oder abends beim Stammtisch
erfuhr, begierig in sich auf und brachte sie am nächsten Morgen
zu Papier. In seinem Tagebuch begann er jede Eintragung
mit dem Wetterbericht, um anschließend alles niederzuschreiben
, was ihn bewegte: die Ausbildung seiner Kinder, Begebenheiten
auf der Arbeit, die Ernteergebnisse, familiäre Ereignisse,
der Alltag an der sogenannten Heimatfront und nicht zuletzt
die „große" Politik. Sein Tagebuch verwahrte er im Schreibtisch
in seinem Büro - ob er damit verhindern wollte, dass
seine Frau oder seine Kinder die Notizen lasen, muss sein Geheimnis
bleiben. Wenn er krank war oder sich Urlaub genommen
hatte,2 erfolgten zunächst keine Eintragungen, vielmehr
fasste er bei Wiederaufnahme der Arbeit die Ereignisse der
vergangenen Tage zusammen.

Es ist ein Glücksfall, dass gerade die Tagebücher der Jahre
1918 und 1919 erhalten geblieben sind. Eines davon galt lange
als verloren und wurde in den 1950er Jahren zufällig auf einer
Müllhalde entdeckt. Der Finder erkannte, was er da in Händen
hielt, und gab dem Enkel des Tagebuchschreibers das Buch zurück
.3 Dass die meisten Bände allerdings verloren gingen, liegt
an der besonderen Geschichte Kehls am Ende des Zweiten
Weltkriegs: Als die Stadt am 23. November 1944 in chaotischer
Weise evakuiert wurde, konnten seine Angehörigen wie alle
anderen Kehlerinnen und Kehler kaum mehr mitnehmen als
das, was sie am Leibe trugen. Da gab es neben offiziellen Papieren
und persönlichen Erinnerungsstücken sicherlich Wichtigeres
einzupacken als die schwergewichtigen Tagebücher von
Mathias Nückles, der drei Wochen zuvor verstorben war.

Mathias Nückles' Tagebücher waren mit Sicherheit nicht für
die Publikation bestimmt, sondern dienten einzig der Selbstreflexion
. Deshalb sind sie für die historische Forschung von besonderem
Wert, spiegelt sich doch darin tatsächlich der vielbeschworene
Blick des „kleinen Mannes" auf seine Umwelt und
das Geschehen in der Zeitenwende 1918/19 in der kleinen Stadt
am Rhein.

Von Erschöpfung gezeichnet: die Kriegslage im Jahr 1918

Mathias Nückles stattete jedes seiner Tagebücher mit einem
kunstvoll gestalteten Frontispiz aus und betitelte sie. Den für
diesen Beitrag herangezogenen Band bezeichnete er als „Tagebuch
für das Friedensjahr 1918". Die Friedenssehnsucht war


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