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Kehl im letzten Kriegsjahr: Aus dem Tagebuch des Mathias Nückles V
Am 3. April kommentierte Nückles das
Kriegsgeschehen: „Das Ringen im Westen geht
weiter. Doch haben unsere Truppen schwer zu
kämpfen, denn Engländer und Franzosen wissen
auch, daß es um's Ganze geht und setzen
alles daran, unseren Vormarsch aufzuhalten/'
Zwei Tage später brachen Hindenburg und Ludendorff
die Operation ab. Damit war klar,
dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen war.
Schon im Februar hatte Ludendorff auf die
Frage des späteren Reichskanzlers Max von
Baden, was passiere, wenn die Offensive nicht
den erwarteten Durchbruch bringe, zynisch
geantwortet: „Dann muss Deutschland eben
zugrunde gehen".12
Da man aber gerade mit großem Propagandaaufwand
die achte Kriegsanleihe unters
Volk bringen wollte, ließ man die Bevölkerung
über den dramatischen Verlauf der „Operation
Michael" im Ungewissen. Im Gegenteil - es
wurden sogar Extrablätter mit Siegesmeldungen gedruckt, und
Nückles notierte am 6. April, am Tag des Abbruchs: „Die Deutschen
haben laut gestrigem Extrablatt mit der Offensive wieder
begonnen" und fügte siegesgewiss hinzu: „Möchte nur mal den
Ententemännern ihre Gesichter sehen, wenn sie allein sind!"
Und am 19. April: „Gestern war der letzte Zeichnungstag für
die 8. Kriegsanleihe. Ich bin begierig, wie viele Milliarden es
wieder gibt!" Er selbst zeichnete Anfang April 200 Mark für die
Anleihe, die vollmundig mit „Der letzte Hieb" beworben
wurde. Durch das überaus positive Resultat bestätigt, schrieb er
am 21. April nieder: „Die 8. Kriegsanleihe hat ein Ergebnis von
14 Vi Milliarden gehabt, es stehen aber noch verschiedene Posten
aus. Eine überwältigende Summe! Sie muß unseren Feinden
doch zeigen, daß unser deutsches Volk von einem unerschütterlichen
Vertrauen zum Endsieg beseelt ist!"
In den nächsten Monaten hatte Nückles kaum mehr Anlass,
optimistisch auf die Geschehnisse an der Front zu schauen,
und am 10. August schließlich hielt er sein Unbehagen mit
folgenden Worten fest: „Ich weiß nicht - die Kriegslage will mir
gar nicht mehr passen - ich war noch nie Pessimist und habe
immer die beste Hoffnung gehabt, aber jetzt wird's mir doch
anfangs anders. Erst dieser Stoß der Franzosen an der Marne
und jetzt ein neuer Einbruch der Engländer in unsere Stellungen
. ,Der Nebel sei Schuld gewesen' suchen unsere Zeitungen
die Schlappe zu entschuldigen [...]. Es muß bös hergegangen
Abb. 5: Rasender
Schwertkämpfer:
Propaganda für die
achte Kriegsanleihe
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