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Kehl im letzten Kriegsjahr: Aus dem Tagebuch des Mathias Nückles V
Abb. 7: Verunglimpfung
des Feindes:
deutsche Propagandapostkarte
gegen
Frankreich
Hier scheint hinter den Schrecken des Krieges die ganz persönliche
Leidensgeschichte der Familie Nückles auf, hatte sie doch
der damals noch weit verbreitete frühe Kindstod gleich mehrmals
getroffen: Ehefrau Magdalena hatte nach ihren beiden
Töchtern am 25. Februar 1899 endlich einen Sohn geboren, der
jedoch schon nach neun Tagen gestorben war. Ein gutes Jahr
später kam Karl Friedrich zur Welt, dem nur 15 Monate Lebenszeit
beschieden waren, und schließlich am 16. September 1902
Friedrich Wilhelm, der nach knapp acht Monaten starb. Erst
Albert, geboren am 10. Februar 1904, überlebte die Kleinkinderzeit
und war zum Glück zu jung, um als Kanonenfutter an
die Front geschickt zu werden.19
Voll Empathie registrierte Nückles daher die Todesnachrichten
, welche Familien in seiner Umgebung betrafen, so zum
Beispiel am 19. Februar, als ein „Sängerkamerad" gefallen war:
„Abends auf dem Heimweg erfahre ich, daß der Bei Schorsch
(Georg Beinhard) gefallen ist. Herrgott, das ist auch ein Schlag!
[...] Als der Krieg ausbrach hat er fortgemußt mit dem Landwehr
-Grenadierregiment und hat seit 3 Vz Jahren alle Schlachten
, Gefechte und Fährnisse glücklich überstanden und nun
hat ihn sein Schicksal doch noch erreicht. Er dauert mich sehr
und mit ihm seine Frau und der Bube!" Am 21. Juni, als junge
Männer ihren letzten Abend als Zivilisten feiernd und lärmend
durch die Straßen zogen, weil sie am nächsten Tag einrücken
mussten, machte er sich sehr bewusst, dass der eine oder andere
dieser „Spielbuben" nicht zurückkehren würde: „Der älteste
Sohn vom Mätze-Dick, der als 18jähriger letztes Jahr eingerückt
ist, ist jetzt auch schon gefallen."
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