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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
98. Jahresband.2018
Seite: 108
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108 ute Scherb

Eine existenzielle Bedrohung: die Spanische Grippe

Im Herbst 1918 erreichte die „Spanische Grippe" Kehl, die
heute als „wohl größte Pandemie des 20. Jahrhunderts" bewertet
wird, und der weltweit etwa 35 Millionen Menschen zum
Opfer fielen.30 Wie sehr die Bevölkerung in der Stadt tatsächlich
betroffen war, lässt ein Blick in die Sterbebücher erahnen:
Während im Oktober 1917 zehn zivile Todesfälle beurkundet
wurden, waren es im selben Monat des Folgejahres 40 Einträge.
Mathias Nückles notierte bereits am 2. Oktober in seinem Tagebuch
: „Zur Zeit herrscht die spanische Grippe wieder stark; es
sind schon einige Personen daran gestorben." Obgleich bei der
Familie Nückles keiner hungern musste und dank der eigenen
Hühner und Hasen regelmäßig Fleisch auf den Tisch kam,
machte die Krankheit vor seinen Lieben nicht Halt.

Mitte Oktober notierte der Tagebuchschreiber tief besorgt:
„Mittags, wie ich heimkomme, liegt Liesel im Bett und hat Fieber
. Oha, jetzt ist die spanische Grippe auch bei uns angekehrt.
Wenn nur Mutter sie nicht bekommt, davor habe ich Angst! [...]
- Lenel ist jetzt auch krank und in Albertle steckt die Grippe
auch. [...] Es ist ganz beängstigend, wie die Leute überall sterben
! Zwei Söhne vom Wachmann Schneider [...], einer mit 18,
der andere mit 15 Jahren, liegen tot im Haus." Und an anderer
Stelle erkannte er klarsichtig: „Durch das Hungerdasein sind
die Menschen zu ausgemergelt, sie haben keine Widerstandskraft
mehr. Gewöhnlich kommt noch eine Lungen- oder Rippenfellentzündung
dazu und - dann ist es fertig mit ihnen."
Wie überall sonst ergriff man in Kehl Maßnahmen, um das
Ansteckungsrisiko zu minimieren und die Krankheit zurückzudrängen
, wie Nückles am 17. Oktober berichtete: „Wegen dieser
Seuche hatte Albert heute Vormittag auch keine Gewerbeschule
, ein Lehrer ist auch daran erkrankt. Wie ich höre sollen
die Schulen geschlossen werden wegen dieser Krankheit." Die
Epidemie ließ sich jedoch nicht eindämmen. Acht Tage später
brachte Nückles voller Entsetzen zu Papier: „Die spanische
Grippe wütet furchtbar. Jeden Tag sind ein paar Leichen. Jetzt
ist bei Gott Eisenbeiß's Marie, Mutter von 6 Kindern, Mann im
Feld, auch gestorben. Ist erst 33 Jahre alt, ebenso der Käs-Meier,
52 Jahre alt, Kinder sterben auch viele." Wie durch ein Wunder
blieb die Familie Nückles von Todesfällen verschont.

Politische Umwälzungen: Die Monarchie ist angezählt

Mitte Oktober wurde auch den Kehlern mehr und mehr klar,
dass sich die Monarchie, zumindest die Regierungszeit Wilhelms
IL, ihrem Ende zuneigen könnte. Am 16. schrieb Nück-


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