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den Sozialismus. [...] Uns gehört die Zukunft, der Tag des vollen
Sieges ist nahe. Für die Räterepublik Rußland der Volkskommissar
des Auswärtigen Tschit scherin."
An das Hessische Staatsministerium in Darmstadt schrieb
Lipp am 10.4.1919: „Mein Amtsvorgänger, der Ministerpräsident
Johannes Hoffmann, hat mit seiner kopflosen Flucht aus
München mir einen ungeheuren Haufen unerledigter Eingaben
in größter Unordnung hinterlassen. Mitgenommen hat er
lediglich den Abtrittsschlüssel für den privilegierten Abort, als
Ministerpräsident und als Staatsminister für das königliche
Haus Wittelsbach; als Agitator versucht er jetzt mit diesem Instrument
die Volksaufwiegelung in Bamberg und Würzburg. So
fand ich unter dem Wust die Anfrage des Hessischen Staatsministeriums
, hier eingelaufen Ende März, wonach sich der Hessische
Amtsbruder beim Bayerischen Ministerium des Äußeren
erkundigt und um die gefällige Vermittlung der Auskunft erge-
benst bittet, wie jetzt mit den Vorrechten der hohen Standesherren
im Bayernlande verfahren wird. [...] Alle Privilegien
und Präsentationsrechte der Standesherren sowie die als ganz
besonders häßlich, schmutzig und drückend empfundenen
Jacht- und Fischereivorrechte dieser sogenannten hohen Herren
sind im Bayernland rund weg und ohne jegliche Entschädigung
als angebliche Ablösung endgültig abgeschafft. Der
Volksbeauftrage der Räterepublik Bayern für die Auslandspolitik
Dr. Franz Lipp/'
Aber bald häuften sich die negativen Berichte über Lipps
Verhalten. So wurde beispielsweise sogar moniert, er bringe
seinen Sekretärinnen Blumen mit! Im späteren Prozess in der
„Strafsache gegen Dr. Lipp, hier wegen Hochverrats", spielte das
eine Rolle: „Allgemein ist noch zu bemerken, daß sich Dr. Lipp
durch sein Benehmen gegenüber den Schreibfräuleins durch
Überreichung von Blumen und dergl. lächerlich machte."12 Als
man aber die Sekretärinnen befragte, stellte sich das so dar:
15. August 1919, Kanzleifräulein Bernbacher, Maschinenschrei-
berin des Dr. Lipp, sagte aus: „Die Zeitungsnotizen waren nach
ihren Angaben gänzlich falsch, da Dr. Lipp ihres Wissens niemals
mit Blumen oder wie es geheißen hat mit einem Rosenstrauß
ins Ministerium gekommen ist. Richtig dagegen ist, dass
Frl. Bernbacher im Auftrag des Dr. Lipp 3 mal Blumen in einem
Blumengeschäfte nächst dem Ministerium am Promenadenplatz
bestellen mußte, welche dann anderntags früh 8 Uhr vom
Blumengeschäft in die Kanzlei gebracht wurden. Bernbacher
stellte dann die Blumen auf den Tisch des Ministers und dieser
verteilte die Blumen sowie er ins Büro kam unter die Kanzleifräulein
. Mit Rücksicht auf die damaligen Verhältnisse und
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