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Martin Ruch
nicht von der Stellung zu kommen und anderseits den Blumen
zu liebe nahmen sie die dieselben an."
Sicher, Lipp war wohl ein sehr eigener Charakter. H. D. Heilmann
hat in seinem Text über „Revolutionäre und Irre"13 manches
über Lipp zusammengestellt, das einen doch staunend
zurück lässt. Etwa jenes Telegramm an den Verkehrsminister
der Räterepublik, Paulukum: „Mein lieber Amtsbruder [...] Ich
habe an Württemberg und die Schweiz den Krieg erklärt, weil
diese Hunde nicht die 60 Lokomotiven mir sofort leihweise
überlassen haben. Ich bin sicher, dass wir siegen. Außerdem
werde ich den Segen des Papstes, mit dem ich gut bekannt bin,
für den Sieg erflehen."14
Die „Scheinräterepublik" mit Franz Lipp als Außenminister
existierte nur knapp eine Woche. Am Palmsonntag, 13. April
1919, besetzten Mitglieder der SPD-nahen Republikanischen
Schutztruppe im Auftrag der Hoffmann-Regierung Regierungsgebäude
sowie den Bahnhof und verhafteten zwölf Mitglieder
der Räteregierung, darunter Erich Mühsam und Dr. Lipp. Auch
in der Ortenau konnte man die Ereignisse in der Tagespresse
mitverfolgen und lesen, dass der „Minister des Äußern der bisherigen
Räteregierung Dr. Lipp in eine Irrenanstalt überführt"
worden war. (Abb 3) Unter der Führung des kommunistischen
Matrosen Rudolf Egelhofer gelang es zwar bewaffneten Arbeitern
, die Gegenrevolutionäre wieder in die Flucht zu treiben
und nun bis zum 1. Mai eine diesmal kommunistisch dominierte
Räterepublik zu errichten. Doch in blutigen Kämpfen
wurden bald darauf diese revolutionären Zustände in Bayern
wieder beseitigt.
Da war Lipp also bereits in psychiatrischer Behandlung in der
Heilanstalt Erlangen, wohin man ihn nach seiner Verhaftung
verbracht hatte und wo er untersucht wurde. Der abschließende
Untersuchungsbefund aber stellte fest: „Beobachtung Lipp hat
Unzurechnungsfähigkeit nicht ergeben. Beobachtung endet am
5. Juli. Verfügung über Lipp erbeten." Der Gutachter war beeindruckt
von seinem Klienten und schrieb: „Dr. Lipp ist eine ursprünglich
geniale, wenn auch ungleichheitlich veranlagte Persönlichkeit
, mit manischer Veranlagung, von ungewöhnlichem
Wissen."
Das „Verfahren gegen den Privat-Gelehrten Dr. Franz Lipp
wegen Hochverrat" wurde am 25. August 1919 eingestellt.
Seine Haftentlassung aus Stadelheim erfolgte am 27.8.1919. Am
20.06.1920 wurde über Lipp ein Aufenthaltsverbot in Bayern
verhängt. Es folgte seine Übersiedlung nach Ulm. Später lebte
er in Italien (Florenz und Rom) bei seinen drei Kindern, und
dort in Florenz ist er am 18. März 1937 gestorben.
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