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Constantin Fehrenbach, ein Reichskanzler mit Ortenauer Wurzeln
Ubernamen zu nennen, damit sie nicht publici iuris sind und
Sie mich nächstens so anreden. Ich will aber annehmen, es wäre
in Freiburg irgendetwas passiert durch irgendeine Dummheit,
sei es, dass sie vom Zivil oder Militär ausging, und es gäbe in
dem ruhigen, militärfrommen Freiburg dann einen Leutnant,
der das Gleiche machen würde, was dieser Herr v. Forstner in
Zabern unbegreiflicherweise gemacht hat, dass er vor den
Mannschaften verlangen würde, sie müssten sich mit dem beleidigenden
Beiwort melden, und dass er es gegen sie anwenden
würde. Glauben Sie denn, dass es in Freiburg nicht geradeso
zugehen würde, wie es in Zabern gewesen ist? Und zweifeln Sie
denn daran, wenn man den Übernamen der Karlsruher in dieser
Weise behandeln würde, dass es in Karlsruhe geradeso zugehen
würde wie in Zabern? Wer das nicht versteht, hat keinen Blick
in die Seele des Volkes, hat aber auch keinen Begriff von dem
Ehrgefühl des Volkes. Ich erwarte allerdings von dem Ehrgefühl
des Volkes, dass es sich eine derartige Behandlungsweise auch
von einem höheren Militär als einem jungen Leutnant nicht gefallen
lassen wird. [...]"2A
Am Ende der Reichstagsdebatte über die Zaberner Vorkommnisse
stand ein Missbilligungsvotum gegen den Reichskanzler,
das mit deutlicher Mehrheit vom Reichstag angenommen
wurde.25 Unmittelbare Auswirkungen hatte dies zwar nicht, da
nach der Verfassung des Kaiserreichs der Kanzler allein dem
Monarchen und nicht dem Parlament gegenüber verantwortlich
war. Es offenbarte aber den Verfassungszustand: die
Machtlosigkeit des Reichstags sowie der Regierung in Fragen
der Kommandogewalt. „Im Ernstfall zeigte der preußische Soldatenstaat
dem Verfassungsstaat, wo seine Grenzen lagen. Der
Absolutismus war im zivilen Leben überwunden. Auf dem Gebiet
des Militärs lebte er fort/'26 Mittelbar kann aber gerade in
diesem Offenbarwerden ein Schritt hin zur Parlamentarisierung
der deutschen Politik gesehen werden.
Gänzlich folgenlos blieb die Debatte jedoch nicht. So kam es
Anfang 1914 zu einer Neuregelung des Waffengebrauchs durch
das Militär. Der Kaiser erließ unter Gegenzeichnung des Kriegsministers
eine Dienstvorschrift, die dem Militär praktisch verbot
, im Bereich polizeilicher Zuständigkeit, also zur Abwehr
von Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, aus
eigenem Recht vorzugehen. „In diesem entscheidenden Punkt
des Konflikts errang mit dem Erlaß der Dienstvorschrift von
1914 die Zivilgewalt den Sieg über die Militärgewalt/'27
Fehrenbach hatte mit der Zaberner Rede seine Chance genutzt
und war nun nicht nur ein im In- und Ausland bekann-
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