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Constantin Fehrenbach, ein Reichskanzler mit Ortenauer Wurzeln
ein Advokat - aber das muß ihm der Neid lassen: er verstand
sein Metier/'46
Reichskanzler in schwieriger Zeit
Die Wahlen zum Reichstag am 6. Juni 1920, „die ersten Wahlen
, die nach den Bestimmungen der neuen Verfassung durchgeführt
wurden, endeten mit einer Niederlage gerade jener
Parteien, die die eigentlichen Träger dieser Verfassung waren".47
Hatten die Parteien der Weimarer Koalition - SPD, DDP und
Zentrum - bei den Wahlen zur Nationalversammlung noch
nahezu 3A der Stimmen erzielen können, so kamen sie nun nur
noch auf 43,6%. Vor allem die SPD musste empfindliche Stimmenverluste
hinnehmen, während die Parteien an den Rändern
, namentlich die USPD, deutlich an Stimmen gewinnen
konnten.48
Schon zwei Tage nach der Wahl trat Reichskanzler Hermann
Müller, auch er übrigens ein Badener, ein gebürtiger Mannheimer
, samt seinem Kabinett zurück. Die nun folgende Regierungsbildung
gestaltete sich außerordentlich zäh. Niemand
wollte in dieser schwierigen Lage die Verantwortung übernehmen
. Nachdem Ebert bereits mehrere Absagen erhalten hatte,
wollte er Fehrenbach zum Kanzler ernennen. In einem mehrstündigen
Gespräch mit Reichspräsident Ebert erklärte dieser
jedoch, er fühle sich der Aufgabe nicht gewachsen. Als aber die
von Fehrenbach statt seiner vorgeschlagenen Kandidaten abgelehnt
hatten, erklärte er sich schließlich doch bereit, diese
„Bürde" und dieses „große Opfer", wie er selbst sagte, auf sich
zu nehmen.49
Nachdem er die Regierung, die vom Zentrum, der DDP und
der DVP getragen wurde und auf eine „unterstützende Neutralität
der SPD" angewiesen war, gebildet hatte, konnte er am
21. Juni 1920 von Ebert ernannt werden. Mit 68 Jahren war er
der älteste Kanzler der Weimarer Republik. „Es war von Anfang
an deutlich, daß er als Kanzler weniger eine Führungs- als vielmehr
eine Mittlerfunktion übernehmen würde. Sein oberstes
Ziel war der Ausgleich der Gegensätze und der politische Kompromiß
, den er selbst unter Zurücksetzung der eigenen Ansichten
immer wieder anstrebte. Menschliche Wärme und Vertrauen
gingen von ihm aus, und allen Beobachtern machte er
den Eindruck eines absolut redlichen väterlich wirkenden
Mannes.
Andererseits waren es aber gerade diese Eigenschaften, die
zugleich die besonderen Schwächen des Kanzlers Fehrenbach
ausmachten. Seine Kompromißbereitschaft und sein Streben
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