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Bernd Rottenecker
sich Ehrhardt in einem autobiografischen Werk, das von Friedrich
Freksa herausgegeben wurde.1
„Vom Urgroßvater ab sind alle Ehrhardts Pastoren gewesen,
und Vater und Mutter konnten sich nichts anderes denken, als
daß auch ich einmal auf der Kanzel stehen werde. Aber [...]
schon als kleiner Junge liebte ich alles, womit geschossen werden
konnte und meine erste Pistole [...] habe ich mir vom Frühstücksgeld
, das ich auf dem Schulweg von Weil nach Lörrach
mitbekam, pfennigweise zusammengespart.2 Seine Liebe zu
Schusswaffen aller Art konnte Hermann Ehrhardt in den folgenden
drei Jahrzehnten intensiv pflegen.
1899 „flieht" er weit Richtung Norden, nach Kiel; dort tritt
er als 18-Jähriger in die Marine ein, deren Aufbau die Regierung
von Kaiser Wilhelm II. damals intensiv vorantrieb. Marinesoldaten
wurden gesucht und Ehrhardt wird Seekadett; bereits
1902 erhält er den Rang eines Leutnants. 1905 meldet er
sich freiwillig zum Einsatz in der Kolonie Deutsch-Südwest-
Afrika (heute Namibia). Er nimmt an den Kämpfen zur Niederschlagung
eines Hereroaufstandes teil und wird wegen herausragender
Leistung zum Oberleutnant befördert. Kaltblütigkeit
und Draufgängertum bestimmten schon hier die soldatischen
Aktivitäten des jungen Ehrhardt. „Das ganze Volk der Hereros
wurde in den Dursttod getrieben. Als wir nachstießen, fanden
wir [...] nur Tote, Halbverdurstete, Weiber und Kinder", so beschreibt
er lakonisch den militärischen Erfolg.3
1906 kehrt er zur Marine zurück und erhält als besondere
Auszeichnung eine Stelle als Wachoffizier auf einem Begleitschiff
der „Hohenzollern", der Staatsyacht von Kaiser Wilhelm
IL. 1909 wird er Kapitänleutnant und ein Jahr später heiratet
er Friederike, verwitwete von Gilsa, geb. Dieckmann, und mietet
ein Haus in Kiel. In Kiel arbeitet er u. a. als Referent in der
Ausbildung von Marineoffizieren. Kaum ist die deutsche
Kriegserklärung an Russland am 1. August 1914 ausgesprochen
, will Ehrhardt wieder auf See. Er wird Chef der 20. Torpedo
-Halbflottille und befehligt nun fünf Torpedo-Schnellboote
mit jeweils ca. 70 Mann Besatzung.
Er nimmt mit seinen Torpedobooten an der Seeschlacht von
Skagerrak am 31. Mai 1916 gegen die englische Marine teil. In
der bis dahin größten Seeschlacht, an der insgesamt ca. 250
Schiffe teilnehmen, zeichnet er sich durch tollkühne Einsätze
seiner Torpedoboote aus, bei denen er mehrere englische
Schiffe versenkt.
Ehrhardt ist der geborene Anführer und „seine" Marinesoldaten
folgen ihrem charismatischen Befehlshaber blind; den
Krieg bezeichnet er als Ordnung stiftendes Ereignis und der
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