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Bernd Rottenecker
12. Juli 1919 geschaffen, obwohl für Hoch- und Landesverrat
Reichsgerichte zuständig waren. Diese Volksgerichte arbeiteten
rasch und sprachen harte Urteile, gegen die keine Rechtsmittel
möglich waren. Wie Emil Gumpel auflistete, wurden gegen 72
führende Räterepublikaner zwei Todesurteile und 276 Jahre
Festungs- oder Gefängnisstrafen ausgesprochen.8 Insgesamt
wurden über 2000 Anhänger der Revolution verurteilt. Von den
Truppen der Regierungsseite wurde kein einziger Mord oder
Übergriff juristisch geahndet. „Die Münchner Zeit hat aus unserer
Brigade eine scharfe, schlagfertige und rücksichtslose
Truppe gemacht," (Freksa 128), so lautete die Bilanz Ehrhardts
vom Münchner Einsatz; und diesem Ruf blieb seine Brigade in
den kommenden Einsätzen treu. In München begegnete Ehrhardt
zum ersten Mal dem preußischen Generallandschaftsdirektor
Wolfgang Kapp und bereits im Juli stieß Ehrhardt zu der
von Kapp gegründeten „Nationalen Vereinigung"9, eine Sammlungsbewegung
rechtsnationaler Politiker.
Nachdem die „rote Gefahr" in München gebannt war, wurden
Ehrhardt und seine Brigade nach Karlshorst bei Berlin beordert
, wo er die Ausbildung, u.a. im Straßenkampf, seiner wachsenden
Mannschaft verbesserte und sich für mögliche Einsätze
in der immer noch unruhigen Hauptstadt bereithielt. Hier erreichte
sie am 21. Juni 1919 die Nachricht von der Selbstversenkung
der deutschen Flotte in Scapa Flow. Konteradmiral Ludwig
von Reuter hat die Selbstversenkung der von den Briten an „die
Kette gelegten" kaiserlichen Flotte organisiert, bevor sie, entsprechend
den Bestimmungen der Versailler Vertrags, an die
Engländer ausgeliefert werden sollte. Erhardt und seine Männer
quittierten das Ereignis mit Genugtuung: „Durch die Tat des
Admirals Reuter war noch einmal die Deutsche Kriegsflagge zu
Ehren gelangt."10
Als es im Oberschlesischen Industriegebiet zu Unruhen und
Kämpfen zwischen Deutschen und Polen angesichts der bevorstehenden
Volksabstimmung über die politische Zugehörigkeit
des Gebietes kam, wurde die Brigade Ehrhardt dorthin verlegt;
zu einem Einsatz kam es jedoch nicht. Dann erfolgte ein
Grenzsicherungsauftrag in der Region Gleiwitz, wo Ehrhardt
auf dem Schloss Slavenzitz seine spätere Frau, die Prinzessin
Margarethe von Hohenlohe-Öhringen, kennenlernte.
Den Winter 1919/20 verbrachte die Brigade Ehrhardt wieder
in Berlin, wo sich die Wut und die Unzufriedenheit in der Zivilbevölkerung
immer wieder in zum Teil wochenlangen Streiks
und Aufmärschen äußerten. Auch im Militär verstärkten sich
zunehmend Verachtung und Wut auf die „Erfüllungspolitiker"
in der Regierung. Außerdem verbreitete sich in der Armee und
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