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Hermann Ehrhardt - ein Diersburger Pfarrerssohn erobert 1920 die Reichshauptstadt Berlin
in rechten Gesellschaftskreisen zunehmend die Uberzeugung,
Sozialisten, Kommunisten und Juden seien mit ihren Aufständen
und Streiks im Oktober 1918 dem Heer in den Rücken gefallen
und letztlich schuld an der Niederlage. Mit ihren Aussagen
vor einem Untersuchungsausschuss des Reichtags am
18. November 1919 zu den Ursachen für die deutsche Kapitulation
1918 schufen Paul von Hindenburg und General Ludendorff
die Basis für diese „Dolchstoßlegende". Aufgrund der
Friedensbedingungen der Entente war Reichswehrminister
Noske gezwungen, die Veringerung und damit die Restrukturie-
rung der Armee auf 100000 Mann durchzuführen. Eine Eingliederung
zehntausender Soldaten und tausender Offiziere in
ein bürgerliches Leben war in diesen wirtschaftlichen und politischen
Krisenzeiten ein kaum zu leistendes Unterfangen.
Am 1. März 1920 feierte die Brigade Ehrhardt ihr einjähriges
Gründungsfest; Admiral von Trotha und General von Lüttwitz
waren anwesend. General Walter Freiherr von Lüttwitz war
der Kommandeur des Gruppenkommandos 1 der Reichswehr.
Lüttwitz lehnte den Versailler Vertrag entschieden ab und verachtete
die „Erfüllungspolitiker" der Regierung; zugleich war er
der wichtigste Organisator und Förderer der Freikorps. Er nahm
in Doberitz eine Parade der 4000 Mann starken Brigade Ehrhardt
ab. Am 10. März 1920 ordnete Noske die Auflösung der
ca. 120 im Reich existierenden Freikorps an. Er ahnte wohl,
dass diese nach der Beendigung der linkssozialistischen Umsturzgefahr
die Beseitigung der verhassten Berliner Regierung
und die Errichtung einer Militärdiktatur planten. Mehrere
Monate lang im Winter 1919/20 zogen sich die Planungen von
Mitgliedern der „Nationalen Vereinigung", Reichswehroffizie-
ren und Freikorpsführern zur Durchführung eines Staatsstreichs
hin. Der Auflösungsbefehl Noskes zwang Lüttwitz zum
raschen Handeln, denn gerade Ehrhardts Brigade war seine
schlagkräftigste Truppe im Raum Berlin. Aufgrund des allgemein
herrschenden Durcheinanders der Organisations-, Kompetenz
- und Informationsstrukturen war der zivile Part (Wolfgang
Kapp und seine „Nationale Vereinigung") auf den nun
beginnenden und als Kapp-Lüttwitz-Putsch in die Geschichte
eingehenden Unsturzversuch nur unzureichend vorbereitet.11
Der Kapp-Lüttwitz-Putsch:
Die Brigade Ehrhardt marschiert in Berlin ein
Am 11. März 1920 gab General Lüttwitz Ehrhardt den Befehl,
seine Brigade, die sich zu dieser Zeit in Döberitz aufhielt, in
Alarmbereitschaft zu versetzen und auf einen Einmarsch in
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