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Bernd Rottenecker
Berlin vorzubereiten. Erst danach informierte er die Verschwörergruppe
der „Nationalen Vereinigung" um Kapp, diese sollten
sich für Samstag früh zur Machtübernahme bereithalten.
Noske und die Reichsregierung wurden durch gezielte Desinformationen
weiter über die Lage in und um Berlin im Unklaren
gehalten. Nur so lässt es sich erklären, dass Ehrhardt auch
von Noske einen Alarmierungsbefehl erhielt.12 In der Nacht
vom 12. auf den 13. März setzte sich die Brigade Ehrhardt nach
Berlin in Marsch. Währenddessen erklärten die Offiziere um
den Chef des Truppenamtes, General Hans von Seeckt, dem
Reichswehrminister Noske, der militärische Gegenmaßnahmen
forderte: „Truppe schießt nicht auf Truppe". Nachdem
Reichskanzler Gustav Bauer (SPD) klar war, dass sowohl das
Militär als auch die Sicherheitspolizei nicht das Regierungsviertel
verteidigen würden, flohen Teile der Reichsregierung (neben
Kanzler Bauer auch Reichspräsident Ebert und Noske) über
Dresden nach Stuttgart; die von der DDP (Deutsche Demokratische
Partei) gestellten Minister blieben in Berlin. Wenige Minuten
, nachdem die Regierungsmitglieder in Pkw die Stadt
verlassen hatten, marschierte Ehrhardts 4000 bis 5000 Mann
starke Brigade, ohne auf Gegenwehr zu stoßen, durch das Brandenburger
Tor. Um eventuellen Widerstand rücksichtslos brechen
zu können, teilte Korvettenkapitän Ehrhardt der an der
Spitze marschierenden Sturmkompanie eine 10,5-cm-Haubit-
zenbatterie zu. Viele Ehrhardt-Soldaten trugen als Ausdruck
ihrer völkischen Gesinnung ein weiß gemaltes Hakenkreuz auf
dem Helm. Weiter über Charlottenburg ging es zum Tiergarten
, wo Ehrhardt bei Anbruch der Dunkelheit pausierte und
ein an die Regierung gestelltes Ultimatum abgewartet werden
sollte. „Ich ließ haltmachen und durch die Feldküche warmes
Essen verausgaben. Es war ein schönes, manövermäßiges Bild.
Einige Feuer loderten, die Männer erfrischten sich."13 Die
Szene, die Ehrhardt hier beschreibt, erinnert eher an einen
Ausflug einer Pfadfindergruppe als an einen Putsch gegen die
demokratisch gewählte Regierung.
Wie dilettantisch die Putschvorbereitungen gelaufen sind,
macht z.B die Tatsache deutlich, dass Ehrhardts Offiziere nicht
einmal die Namen aller Minister kannten, die sie verhaften
sollten.14 Die Besetzung des Regierungsviertels verlief rasch und
reibungslos, und Wolfgang Kapp übernahm das Amt des
Reichskanzlers. Aber so einfach war das Regieren nicht: Die
Reichsbank löste mit dem Hinweis, man kenne keinen Reichskanzler
Kapp, keine Schecks ein, die von diesem unterzeichnet
wurden. Und auch die Reichswehrkasse wurde für einen
„Reichswehrminister" Lüttwitz nicht geöffnet, sodass die zu-
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