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Manfred Merker
Zwei Tage, nachdem er seinen Fragebogen ausgefüllt hatte,
verfasste Hiß am 19. Januar 1946 in Buchheim zwei längere
maschinenschriftliche Schreiben zu seiner Rechtfertigung und
derzeitigen Situation. Das erste, „Zum Beurteilungsblatt von
A. Hiß", befasst sich in erster Linie mit seiner Funktion als
Kulturstellenleiter und begründet eingangs seine Motive für
die Mitgliedschaft in der Partei. „Der Grund zum Eintritt in die
Partei war die Erwägung, dass der Beamte als ausführendes Organ
des Staates den Willen der jeweiligen Regierung zu erfüllen und sich
hinter diese Regierung zu stellen hat." Verlangte er damit im
Grunde Loyalität auch gegenüber einem Staat, dessen Unrechtscharakter
er offensichtlich nicht oder erst später erkannte?
Seine Aufgaben in seinem Amt als Kulturstellenleiter, das er ein
Jahr nach dem Parteieintritt übertragen bekam, beschreibt er
wie folgt: Verhandlungen mit den Bühnen Karlsruhe, Freiburg,
Frankfurt und mit der Badischen Bühne zu Gastspielen (Opern
und Schauspiel) und die Vorbereitung der Aufführung; Veranstaltung
von Vorträgen, Dichterlesungen, Konzerten, Ausstellungen
u.Ä. Vorbereitung und Durchführung der Feiern im
Kreislauf des Jahres; während des Krieges Totenfeiern für
Wehrmachtsangehörige (meist in Verbindung mit der Geistlichkeit
), auch Familenfeiern verschiedener Art. Treuherzig
umschreibt Hiß danach seine Einstellung zum Amt: „Meine
Haltung in der Öffentlichkeit war bestimmt durch den Grundsatz,
jeden gelten zu lassen, der seine Pflicht er füllt und guten Willens ist.
Ich glaube daher, sagen zu können, dass ich mir weder auf politischem
noch auf dienstlichem Gebiete die Feindschaft irgendeines
Menschen zugezogen habe. Mein Parteiamt betrachtete ich nicht rein
politisch, sondern von dem Standpunkte, allen Menschen durch ku-
turelle Veranstaltungen Freude zu bereiten und innere Anregungen
zu geben, ohne einen politischen Gedanken in den Vordergrund zu
stellen", gez. Albert Hiß, früher Gymnasium Offenburg
Hiß verweist abschließend darauf, dass er seinen Unterricht
in den Fächern Griechisch und Latein entsprechend den Richtlinien
der vorgesetzten Behörde gestaltet habe. Für Parteipropaganda
sei dabei kein Raum gewesen.
Auffällig an dem Schreiben ist die verharmlosende Darstellung
seiner kulturellen Parteiarbeit und seines Unterrichts, die
nach den genannten Zeugnissen in Offenburg ganz anders
beurteilt worden waren. Danach ließ er sich nach Auffassung
der Offenburger Zeitzeugen als „großer Nazi" bei seiner Arbeit
in der Praxis vielmehr von der Weltanschauung des Nationalsozialismus
leiten, während er hier jede parteipolitische Beeinflussung
abstreitet. Sein Geschichtsunterricht, den er hier
überhaupt nicht erwähnt, war sicher, gerade im Elsass, nicht
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