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Albert Hiß (1884-1964) 203
vom Geist objektiver Wissenschaftlichkeit bestimmt. Im Text
findet sich ein kleiner Hinweis auf diese Diskrepanzen. Zu dem
Wort „meist" im Klammersatz hat jemand handschriftlich
einen korrigierenden Zusatz eingetragen, der für sich spricht,
nämlich „laufend Spannungen" (vgl. dazu das Stichwort „NS
Rabiner"). Die Glaubwürdigkeit seiner Ausführungen sollte am
Ende von einer kritischeren Instanz entschieden werden als
vom Standpunkt seiner unkritischen und schönfärberischen
Selbstrechtfertigung.
Das zweite Schreiben vom gleichen Tag und Absendungsort
beeinhaltet ein „Gesuch um Wiederaufnahme in den höheren
Schuldienst". Hiß verweist anfangs auf seine Entlassung
aus dem Schuldienst im Frühjahr 1945 und will hier einer an
ihn ergangenen Aufforderung entsprechen, dieses Gesuch einzureichen
. Er begründet sein Anliegen mit folgenden Sätzen:
„Da ich vermögenslos bin und alles verloren habe, bin ich darauf
angewiesen, meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ich versichere,
dass ich die mir auferlegten Pflichten mit derselben Gewissenhaftig-
kei erfüllen würde, wie ich es während meiner ganzen bisherigen
Tätigkeit als Lehrer getan habe." Er schließt mit der Bitte, „bei
dem heutigen Mangel an Wohnungen und da ich ohne jeglichen
Hausrat bin", in Freiburg Verwendung zu finden, wo er bei seiner
Schwester wohnen könnte, oder auch in Meßkirch, wo er
auch die Möglichkeit für eine Unterkunft hätte. Auch hier
musste Hiß noch eine gehörige Zeit auf einen entsprechenden
Bescheid warten, bis das Spruchkammerverfahren schließlich
Ende 1948 zu einer Entscheidung über seine weitere Verwendungmöglichkeit
kam.
Inzwischen gab es gleich zu Beginn des folgenden Jahres,
am 24. Januar 1947, eine Anfrage aus Konstanz über Verbleib
und Tätigkeit von A. Hiß im dortigen Dienstbezirk. Der Bezirkskommissar
vom „Badischen Landesamt für kontrollierte
Vermögen" fragt beim oben erwähnten Offenburger Stadrat
Bätz an, was über die nicht ganz unbedenkliche politische Vergangenheit
von Hiß in Offenburg bekannt sei und ob er Ortsoder
Kreiskulturstellenleiter gewesen sei. Hiß habe sich nicht
in den Schuldienst zurückgemeldet und würde wahrscheinlich
auch keine Pension beziehen. Stattdessen mache er sich auf
einer Gemeinde als Hilfsratschreiber nützlich. Aufgrund des
Gesetzes Nr. 52 habe er sich kurz angemeldet.
Ob Bätz aus Offenburg auf die Anfrage geantwortet hat, ist
nicht bekannt. Sie sollte später von einer ganz anderen Seite
beantwortet werden. Zunächst aber wurde Hiß aufgefordert,
aufgrund des „Gesetzes zur Befreiung vom Nationalsozialismus
und Militarismus" vom März 1947 einen längeren Meldebogen
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