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Manfred Merker
von Hiß überliefern. Hiß war ein typischer Vertreter seiner
Zeit, der in vier unterschiedlichen politischen Systemen und
zwei großen Weltkriegen sein fast 80-jähriges Leben jeweils
neu justieren und sich auf seine Weise gewollt oder ungewollt
arrangieren musste: 34 Jahre wilhelminische Kaiserzeit mit
dem Ersten Weltkrieg, 14 Jahre Weimarer Republik, zwölf Jahre
Nationalsozialismus mit dem Zweiten Weltkrieg und 19 Jahre
Bundesrepublik Deutschland.
Aus wohlhabendem Elternhaus am Kaiserstuhl stammend
schlug er nach dem Abitur und dem Studium der Altphilologie
und Geschichte die normale akademische Laufbahn eines
Gymnasiallehrers mit Anstellungen in Mannheim, Baden-Baden
, Karlsruhe und Durlach ein, bis er die Direktionsstellen in
Wertheim und schließlich in Offenburg und Straßburg übernahm
. Gleichzeitig meldete er sich gleich nach dem Abitur
1913 als einjähriger Freiwilliger zur Infanterie und brachte es
nach verschiedenen Wehrübungen bis zum Vizefeldwebel der
Landwehr in Freiburg und Karlsruhe. Diese zehn Jahre sind
charakterisiert durch das Nebeneinander von zivilen pädagogischen
und militärischen Aufgaben, die auch zwei Seiten im
Wesen von A. Hiß repräsentieren. 1914 zog er mit dem Hessischen
Traditionsregiment „Kaiser Wlihelm" an die Westfront
und kämpfte vier Jahre alle Schlachten seiner Truppe bis zum
Kriegsende in verschiedenen Funktionen vom Leutnant und
Hauptmann bis zum stellvertretenden Bataillonskommandeur
mit. Seine Tapferkeit erwies sich durch eine Verwundung zu
Kriegbeginn und drei Tapferkeitsauszeichnungen. Alle Siegeshoffnungen
wurden enttäuscht durch die bittere, unerwartete
Niederlage Ende 1918, als durch eine Revolution der Kaiser
und Großherzog, seine Kriegsherrn, denen er durch Eid zur
Treue verpflichtet worden war, abgesetzt wurden. Sicher war
dies Ende aller bisher gültigen Loyalitäten und der abrupte
Systemwechsel für Hiß auch das Ende militärischer Hoffnungen
und ein nachhaltiges Schockerlebnis, das aber in seinem
Falle durch eine sichere Beamtenstellung als Professor am Durlacher
Gymnasium aufgefangen werden konnte. Wie stark das
Kriegerlebnis in ihm noch nachwirkte, zeigte sich in seinem
Regimentsbericht von 1924, den er „in Erinnerung an eine große
Zeit" mit ausführlicher Beschreibung alller geschlagenen
Schlachten verfasste, seine einzige literarische Hinterlassenschaft
. Aus dem Jahre 1939 ist bekannt, dass Hiß durchaus
einen neuen Krieg befürwortete. Die Erfahrung der Gegenwart
in der Formulierung „arme Heimat" und „Deutschland in den
Staub getreten in seiner tiefsten Erniedrigung" mag sein Verhältnis
zur neuen Weimarer Republik charakterisieren, ohne dass
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