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Marita Blattmann
excelsis). Tatsächlich ist das seit dem 8. Jahrhundert belegte
Laurentiusoffertorium einer der ganz wenigen Messtexte, der
nicht aus der Bibel stammt.11 Und das ist unser Glück, denn nur
so kann man den Anspielungen der Mosaikumschrift näher
nachspüren.
Zitation der Wendung locus voci in celo
in der mittelalterlichen Literatur
Was mag die Schöpfer des Schutterner Mosaiktextes bewogen
haben, auf der inneren Umschrift das Laurentiusoffertorium
zu zitieren? Es gibt drei Möglichkeiten:
1) Man zitierte die Stelle um ihrer Schönheit, Bekanntheit oder
ihres literarisch-liturgischen Verweischarakters willen.
2) Man zitierte sie, um an ein Ereignis zu erinnern, das sich
mit diesen Worten verband.
3) Man zitierte sie als Anspielung auf den Heiligen, zu dessen
Festmesse sie gehörte.
Dass Lösung 1 nicht infrage kommt, klärte die Eingabe der
Kernstelle locus voci in Datenbanken, die die Wendung mit den
Werken christlicher und profaner Autoren, den Urkunden der
Königskanzlei und weiteren Texten des Mittelalters abgleichen.
Die elektronische Durchforstung vieler zehntausend Seiten,
ergänzt durch banale Textrecherchen im world wide web, erwies
locus voci [in celo] in allen denkbaren Schreibvarianten als absolutes
Stiefkind der mittelalterlichen Verfasser. Nur an fünf
weiteren Stellen außerhalb der Schutterner Mosaikumschrift
wird die Wendung gebraucht - dass sie sprichwörtlich, beliebt,
bekannt war oder in der theologischen Fachdiskussion eine
Rolle spielte, kann man demnach verneinen.
Die Lösung 2 - Anspielung auf ein Ereignis - ist weniger
weit hergeholt, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Mit
dem Laurentiusoffertorium lässt sich in der Tat ein bekanntes
Ereignis verbinden, nämlich die Lechfeldschlacht 955, in der
König Otto der Große endgültig die Ungarn besiegte. Da am
Laurentiustag gekämpft werden musste, der zudem im Jahr 955
auf einen Sonntag fiel, gelobte Otto am Vortag, dem 9. August
955, dem Tagesheiligen das Patronat über ein Bistum, wenn er
ihm zum Sieg verhelfe. Liturgischer Zeitpunkt für solche Gelübde
in der Messe ist die Gabenbereitung, womit das Offerto-
rium der Laurentiusvigil eine besonders enge Bindung zum
„Lechfeldschlachtgelübde" erhält. Anderntags siegte Otto, und
Laurentius wurde Patron des neubegründeten Bistums Merseburg
.12
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