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Marita Blattmann
sie erhalten haben. Das wiederum belegt enge Kontakte zwischen
den beiden. Wenn man nun ihre personale Einbindung
betrachtet, erschließt sich ein ganzer Freundeskreis von Reformanhängern
und deren Diskussionsthemen. Dass die
Schriften Ruperts von Deutz und Ambrosius' von Mailand
dazu gehören, haben wir schon gesehen. Als weitere Topthemen
zeichnen sich ab die Kirche als mystische Gemeinschaft,
Liturgiereformen, Maßnahmen zur Förderung der „ Reinheit"
der Priester - und überraschenderweise auch der heilige Laurentius
.
Denn Paul hatte in Bernried die Klausnerin Herluca von
Epfach (1*1127) kennengelernt; die mit ihr geführten Gespräche
über Gott rechnet er zu den prägenden Erfahrungen seines
Lebens. Um 1130 verfasst er eine Vita seiner verehrten Freundin
:37 Eine Schülerin Wilhelms von Hirsau und Theogers von
St. Georgen sei sie gewesen, begnadet durch Visionen. Denn
ihr erschien immer wieder der verstorbene Bischof Wiktorp
von Augsburg, öfter aber noch, als vertrauter himmlischer
Freund, der heilige Laurentius. Paul selbst hatte durch Herlucas
Vermittlung in einer Angelegenheit den Rat des Märtyrers aus
dem Jenseits einholen können. Natürlich hatte Paul - wie er in
der Herluca-Vita berichtet - es sich nicht nehmen lassen, 1122
in Rom das Grab des heiligen Laurentius aufzusuchen, und
ebendort am Grab einen jungen Geistlichen kennengelernt,
dem er eine Sammlung von Laurentius-Wundern versprochen
habe; im letzten Kapitel der Herluca-Vita stellt er sie dann tatsächlich
zusammen.
Laurentius ist auch ein Thema für den jungen Radikalreformer
Gerhoch von Reichersberg, einen Bekannten Herlucas und
Pauls von Bernried, der sich von 1126 bis 1132 auf Einladung
Bischof Kunos in Regensburg aufhielt. In seinem Erstlingswerk
De aedificio Dei („Über das Haus Gottes") findet sich ein langes
Kapitel über den heiligen Laurentius als vorbildhaftem Hüter
der Schätze der Kirche,38 was umso auffälliger ist, als Gerhoch
das Laurentius-Motiv in seinem umfangreichen Werk später
nicht mehr aufgreift. Lebenslang begleitet Gerhoch hingegen
etwas anderes, was der Regensburger Diskussionskreis ihm nahebrachte
: die Begeisterung für Rupert von Deutz, seinen
hochverehrten „Meister", dessen Schriften in Gerhochs umfangreichem
Werk immer wieder aufgegriffen werden. Gerhoch
verwendet übrigens für Kain die seltene lateinische
Schreibweise mit „Ch", wie sie auch auf dem Schutterner Mosaik
steht.
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