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Das Schutterner Mosaik vor dem Hintergrund der Klosterreformen des frühen 12. Jahrhunderts
manche Reformer neben den alten Gebeten und den traditionellen
Gesängen ein weiteres Element des guten Alten gewesen
sein, dem sie in der Kirche wieder zu Gewicht verhelfen wollten
.
Zu dieser betonten Vorliebe der Reformer für das gute Alte,
das aus dem Rom der Urkirche kam, passen übrigens auch die
beiden anderen Altarpatrone, denen neben Laurentius der
Schutterner Märtyreraltar noch geweiht war: Linus und Cletus,
die beiden ersten Nachfolger des heiligen Petrus auf dem Bischofsstuhl
von Rom. Laurentiusaltäre und -reliquien sind im
mittelalterlichen Deutschland keine Seltenheit. Linus und Cletus
als Altarpatrone habe ich außer in Schuttern in den Quellen
zum deutschen Mittelalter noch nirgends gefunden. Zusammen
mit dem Hauptmärtyrer Roms, Laurentius, und mit
dem Petrusaltar im Chor der Schutterner Klosterkirche ergibt
sich das Bild einer zum Zeitpunkt dieser Patrozinienwahl extrem
romorientierten und konservativen Gemeinschaft.
Ziehen wir eine Bilanz! Die in unmittelbarer Nähe zu einem
Laurentiusaltar liegenden erhaltenen Randfragmente des
Schutterner Mosaiks zeigen mit Abel und einem Zitat aus dem
Laurentiusoffertorium eine Kombination, die nur in Schriften
Ruperts von Deutz vorkommt, dort aber mehrfach. Wenn hier
eine Rezeption vorliegt, kann sie frühestens nach 1111 erfolgt
sein, realistisch ist nicht vor 1120 damit zu rechnen. Die Frage,
ob man in Schuttern überhaupt von Ruperts Schriften wissen
konnte, lässt sich bejahen mit Blick auf die intensive Rezeption
von Ruperts Werk in Schutterns Schwesterkloster Prüfening.
Von einem zeitweiligen Lehraufenthalt einiger Schutterner
Mönche in einem Bamberger Eigenkloster mit schon besser
eingewurzelter Hirsauer Praxis ist auszugehen, und angesichts
des traditionellen Austauschs zwischen Michelsberg und Gengenbach
lag Prüfening, wo vielleicht nicht ohne Grund 1129
dem heiligen Arbogast eine Kirche geweiht wurde, als Partner
für Schuttern nahe.
Es bräuchte also die ganzen übrigen Indizien nicht, um erklären
zu können, wie man in Schuttern aus Prüfening die Idee
für das Mosaik oder vielleicht sogar einen dort nicht zum Zuge
gekommenen Entwurf nebst einem gerade frei gewordenen
italienischen Mosaiklegertrupp bezogen haben könnte. Die
übrigen Beobachtungen kommen hinzu, wie in Schuttern einzelne
Fragmente aus dem verlorenen Mosaik: die auffallende
Laurentius-Verehrung vieler Beteiligter, die Wirren um den
Straßburger Bischofssitz zwischen 1125 und 1131, die den Austausch
zwischen den Bamberger Klöstern in der Ortenau und
in Bayern intensiviert haben könnten, und das besondere Inte-
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