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Marita Blattmann
resse des um Paul von Bernried zentrierten Reformkreises für
das „reine Opfer" und für Leitlinien setzende Gestalten der
Kirche: die ersten Päpste, die Protomärtyrer der Bibel und
Roms, den Kirchenvater Ambrosius mit seiner eigenständigen
Liturgie. Gemeinsam ist dem Kreis die intensive Auseinandersetzung
mit den tiefgründigen Ideen Ruperts von Deutz, die
nicht nur in der Prüfeninger Ecclesia oder auf dem Schutterner
Mosaik, sondern auch in anderen Kirchen und Kunstwerken
des 12. Jahrhunderts Gestalt gefunden haben,60 etwa um 1150
in den nach Ruperts Ezechielkommentar gestalteten Wandfresken
von Schwarzrheindorf.61
Anfänge der romanischen Kirche von Schuttern
Mit dem sich aus alledem ergebenden Zeitansatz des Schutterner
Mosaiks auf die Jahre kurz vor 1130 erhebt sich aber eine
andere Frage: War damals nicht schon der Bau der romanischen
Kirche von Schuttern in Gang, deren Boden das Mosaik
ja schließlich überdeckte? Zumindest in Planung müsste sie
doch schon gewesen sein. Wer lässt ein solch aufwendiges
Kunstwerk in eine Kirche setzen, die doch absehbarerweise
demnächst abgebrochen wird?
Nun ist es schwierig, die für den barocken Neubau 1767 vollständig
abgetragene romanische Kirche von Schuttern zu datieren
. Jean-Philippe Meyer setzt in der neuesten Publikation zu
dieser Frage den Baubeginn gegen 1140 an.62 Das harmoniert
mit der expliziten Bezeichnung von Abt Conrad von Schuttern
(1134-1162) als Neuerbauer im Totenbuch des Klosters (pius
atque sollicitus restaurator istius ecclesie)63. Es mag also sein, dass
sein Vorgänger (noch) nicht bauen, aber doch ein neues
Schmuckelement für seinen alten Bau haben wollte, oder dass
es Pläne gab, denenzufolge das Mosaik auch in einem Neubau
und schon zuvor während der Bauphase64 eine Funktion gehabt
hätte. Es fällt auf, dass das Mosaik als Solitär im Raum stand,
gegen den hellen Kalkmörtelboden der Umgebung lediglich
abgegrenzt durch einen 10-15 cm breiten Streifen rötlichen
Kalkmörtels,65 der ihn zwar „sehr dekorativ von seiner Umgebung
abgehoben"66 haben mag, als jahrzehnte- oder jahrhundertalte
Fassung aber merkwürdig improvisiert erscheint. Denn
die anderen aufgefundenen romanischen Rundmosaike besitzen
einen Schmuckrand oder eine quadratische Rahmung oder
sind Teil einer ganzen Mosaikfußbodenzone. Dem Empfinden
des Ausgräbers List nach trat das Schutterner Mosaik „unter
dem aufgeschütteten grüngelben Letten „frisch wie am ersten
Tag ans Licht"67, der Erhaltungszustand ist bis heute „er-
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