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"21 Q Regina Brischle
Capito versuchte währenddessen die Geflüchteten zur Rückkehr
und Rückgabe zu bewegen, - ohne Erfolg. Einzelne Stiftsmitglieder
wechselten jedoch im Laufe der Zeit die Seiten.
Am 4. Januar 1525 gelang es, einen Brief abzufangen, der
von Bonaventura Ersam,26 Kanoniker in Jung St. Peter, befördert
wurde. Durch ihn wurde zweifelsfrei festgestellt, dass sich
die Stiftsgüter in Offenburg befanden. Am 17. Januar sandte
der Straßburger Rat erneut ein Schreiben in die nahegelegene
Reichsstadt, um die Rückgabe bis zum 23. Januar zu fordern.
Als am 22. Januar ein weiterer der Flüchtigen, Jakob Munthart,
zu einem nächtlichen Stelldichein mit seiner Köchin in die
Stadt zurückkehrte, wurde er gefangengenommen.27 Er sagte
aus, dass die Kostbarkeiten Jakob Kantengieser,28 Bürger von
Offenburg, in einer Lade übergeben worden seien.
Nun wurden Bevollmächtigte nach Offenburg gesandt. Der
städtische Notar Wendel von St. Johan,29 Wolf gang Capito vom
Stift St. Thomas, dessen Schaffner Gervasius Sopher,30 zehn
Jahre zuvor Rektor der Lateinschule in Offenburg, Jacob Munthart
,31 der zu der Zeit unter Arrest der Stadt Straßburg stand,
und Caspar Nebelin,32 Kürschner, allesamt Bürger von Straßburg
, sollten die Güter von Jacob Kantengiesser und, wenn
nötig, vom Rat der Stadt Offenburg einfordern und nach Straßburg
zurückbringen.
Bereits am Sonntag hatte Caspar Nebelin bei Jakob Kantengiesser
nach den Gütern gefragt. Dieser antwortete, er habe sie
nicht in seinem Besitz und wolle auch nicht sagen, wem er sie
übergeben habe. Daraufhin wandten sich Wendelin von St.
Johan, Gervasius Sopher und Caspar Nebelin am Montag an
den Rat von Offenburg, zeigten ihre Vollmachten und appellierten
eindringlich, sie schadlos zu halten. Zur Not würden sie
ausharren und auf weitere schriftliche Anweisung durch den
Rat von Straßburg warten. Da gab Conrad Boler zu, dass er die
Güter am Abend zuvor noch in seiner Obhut hatte, sie aber
abgegeben und nicht mehr bei sich habe. Der Rat beorderte
den Stettmeister vor die Delegierten, welcher mit ihnen dann
zum Bruderschaftshaus ging und zu dessen Bewohner sagte:
„Herr Bartholome,33 ihr werdet mir sagen, ob ihr die Stiftsgüter
von St. Thomas habt oder nicht/' Dieser verneinte. Als der Sekretär
die Befragung unter Folter verlangte, antworteten die
drei Summissarien: „Wir haben die Güter erhalten, aber sie
befinden sich nicht mehr in der Stadt oder in unserer Gewalt/'
Beide Parteien baten um eine Anhörung vor dem Rat. Nach
Capitos Schilderung dauerte die Verhandlung fast den ganzen
Tag und die drei beharrten darauf, dass sie die Güter aufgrund
eines mündlichen und schriftlichen Befehls empfangen haben,
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