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Die badischen Verfassungsfeiern 1843, 1844 und 1845 im Renchtal 363
r
nommen. Es dürfte sich zum großen Teil
um Mitglieder des Hallgarten-Kreises gehandelt
haben.
Auf der rechten Tafel saßen größtenteils
Offenburger und Oberkircher Bürger
. An den quer gestellten Tafeln waren
Bauern des vorderen Renchtals, aus dem
oberen Renchtal waren nur Bürgermeister
Link aus Ibach und Feger aus Peterstal
gekommen. Bei aller egalitären Tendenz
des Liberalismus blieb doch in
Kleidung und Sitzordnung das soziale
Gefälle zwischen Honoratioren, Stadtbürgern
und Landbevölkerung sichtbar.
Viele Oberkircher Bürger waren „aus
Missstimmung" der Feier ferngeblieben,
weil Frech durch Zeitungsanzeigen zahlreiche
Besucher von auswärts eingeladen
hatte. Der Oberkircher Bürgermeister
Gottfried Braun war nicht anwesend,
statt seiner vertrat Ratsschreiber Gerstner
die Gemeinde. Das Fest war nicht
eine Veranstaltung der Gemeinde, sondern einer Partei.103 Das
sollten auch die politischen Aussagen zeigen.
Im Vergleich zur Verfassungsfeier von 1843 trat die Geselligkeit
in den Vordergrund. Statt einer langen Festrede und einem
feierlichen Zeremoniell wurden Trinksprüche ausgebracht, Lieder
gesungen, Tischunterhaltungen wurden geführt, es wurde
ausgiebig gegessen und getrunken. Als lokaler Vertreter eröffnete
Ratsschreiber Gerstner in diplomatischer Ausgewogenheit die
Reihe der Toaste. Er würdigte, „was im Lande durch die wohltätige
Regierung Seiner Königlichen Hoheit des Durchlauchtigsten
Großherzogs unter Mitwirkung seiner treuen Stände" vollbracht
worden sei und nannte namentlich den Eisenbahnbau und die
Zehntablösung. Als unerfüllte „Wünsche des Volkes" führte er
die öffentliche Gerichtsverfassung und die Pressefreiheit an.
Itzstein redete als zweiter. Er verwies auf die seit der letzten
Verfassungsfeier eingetretenen Veränderungen in Baden; manches
wie Gedanken- und Pressefreiheit sei noch zu erstreiten.
Hinsichtlich des Kampfes um eine freie Presse habe er jedoch
„kaum eine schwache Hoffnung" - Itzstein war sich bewusst,
dass der Schlüssel dazu in Frankfurt beim Bundestag und nicht
in Karlsruhe lag. Aber er meinte auch, dass durch „treue Wahlmänner
" sich auch die Kraft der Kammer entwickeln könne.
Itzsteins Hoch galt der Verfassung.
Abb. 16: Berthold
Auerbach (1812-1882)
besuchte das
Oberkircher
Verfassungsfest 1844.
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