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Hans Harter
Particularismus" und „mannigfache Irrthümer"
Abb. 5: Ludwig
Häusser (1818-
1867), Historiker
und Abgeordneter
der Zweiten Kammer.
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Commons
Das Schlagwort „particularistisch" stand auch
in einer Petition der badischen Nachbarschaft,
die die Gemeinden Wolfach, Oberwolfach,
Schapbach, Rippoldsau, Kirnbach, Kinzigtal,
Schiltach, Lehengericht, Schenkenzell,
Bergzell und Kaltbrunn zugunsten der
Schramberg-Linie nach Karlsruhe schickten
. Sie hielten die Gutach-Linie für „eine
verfehlte Bahnanlage" mit „furchtbar bedenklichen
Folgen", auch, weil mit ihr
höchste politische Ziele, nämlich die „Einigung
und Verschmelzung aller gegenseitigen
Interessen im ganzen deutschen Vaterlande
betroffen waren.23 Der Appell „an die Gefühle
deutscher Einheit und Zusammengehörigkeit", also
das Einbringen der schwelenden nationalen Frage, ließ
auch den Abgeordneten Häusser nicht kalt, ebenso wenig der
daraus abgeleitete Vorwurf des „Partikularismus", der damit
Eingang in die Bahnbaudiskussion fand.
Zwar beklagte auch er „das Fehlen einer obersten Behörde
der deutschen Nation", doch konnte er auf „den immerhin
regen und erfolgreichen Wetteifer der Einzelstaaten" verweisen
. Da sie nun einmal das damalige Deutschland prägten, sei
es nur natürlich, dass „die territorialen und örtlichen" Gesichtspunkte
dominieren und die Einzelstaaten ihre „besonderen
Landesinteressen" wahrnehmen. Auch die „badische Landesvertretung
" könne nicht anders, sonst „würde sie jenseits
unserer Landesgrenze keinen Dank, diesseits aber sattsamen
Undank verdienen". Und was das „Nationale" im Bahnbau angehe
, so habe die Frage, ob über Schramberg oder Triberg gebaut
werden soll, wenig mit dem großen deutschen Interessen
zu tun: „Es ist eine Frage der Zweckmäßigkeit, nicht der nationalen
Politik." Hinter der Berufung auf letztere würden sich
auch im Kinzigtal „locale Interessen" verbergen, und die Rottweiler
Forderung nach einer „württembergischen Kinzigthalbahn
" ließe sich gleichfalls „besser aus specifisch schwäbischen
als aus national deutschen Rücksichten begründen"24 - für
Häusser ein Beispiel, wie Interessenpolitik sich mit programmatischen
oder auch ideologischen Argumenten verbindet,
um so größere Wirkung zu erzielen.
Außer dem Ideologieverdacht bemängelte Häusser auch die
„vielfach sehr vagen und des Nachweises bedürftigen Angaben"
von Kinzigtäler Petition und Rottweiler Denkschrift. Sie be-
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