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Geschichtslegenden um den Bau der Schwarzwaldbahn
im badischen oberen Kinzigtal geteilt: Die Denkschrift des
Wolfacher Eisenbahnausschusses formulierte: „Wäre Schram-
berg badisch, so würde man über Schramberg bauen und nicht
über die Sommerau"57 was hier zum geflügelten Wort geworden
ist. Die Wolfacher Bahnagitatoren ihrerseits galten im
Badischen als „Marionetten von Rottweil und Schramberg"
eine Polemik, die sie als „unwürdigen Kunstgriff" des „badischen
Partikularpatriotismus" zurückwiesen, der „für des
Landes Wohl schwärmt, um für den heimathlichen Kirchthurm
zu sorgen".58 Noch zwei Jahrzehnte später hielt Johann
Höflin (1826-1892), Lehrer in Schiltach, fest, dass „das obere
Kinzigthal durch die Erbauung eines Schienenstrangs über
Triberg um eine Hoffnung ärmer geworden [war]".59
Vor allem in Schramberg rumorte der „unheilvolle Schlag"60
aufgrund des fortdauernden Fehlens einer Bahn weiter. Stadtschultheiß
German Waller (1862-1878) schrieb in seiner 1872
erschienenen Stadtchronik: „Der Verkehr [...] weist Schramberg
gewiß mit Recht eine hervorragende Stelle unter den
Fabrik- und Handelsplätzen Württembergs an, und ist daher
doppelt zu beklagen, daß bisher alle Versuche, Schramberg die
zu seiner Entwicklung unentbehrliche Eisenbahnstraße zu verschaffen
, vergeblich waren!"61
Während der insgesamt „dreißigjährigen Bataille" des „in
seiner Abgeschlossenheit sehr geschädigten industriellen
Schramberg" kam die damalige „empfindliche Niederlage"
immer wieder hoch.62 So bei dem württembergischen Regierungsbaumeister
Karl Leibbrand (1839-1898), der sich als Abge-
Abb. 10: Schramberg,
„aufgenommen durch
Leibbrand", um 1870.
- Waller (wie Anm.
61), Frontispiz
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