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Hans Harter
Abb. 11: Robert
Gerwig (1820-1885),
Bauingenieur,
Land- und Reichstagsabgeordneter
. -
Hauptstaatsarchiv
Stuttgart Digitalisat
Q 1/37 Bild 22
ordneter in Stuttgart vehement für den Bau einer Sekundärbahn
Schiltach-Schramberg einsetzte. 1885 wiederholte er in
einer Denkschrift, dass man Schramberg, „industriell bedeutender
als die Städte im Gutachthal", damals „schwerlich umgangen
" hätte, „wenn es nicht jenseits der badischen Landesgrenze
gelegen wäre". Die Schuld gab er dem „Oberingenieur
Gerwig", der es „als Abgeordneter des Bezirks Triberg [...] vornehmlich
dahin gebracht [hat], daß mit enormen Kosten [...]
durch das Gutachthal gebaut und die württembergische Grenze
ängstlich gemieden wurde".63
Damit wurden die Parolen des „Linksliegengelassens"-Seins
durch das Nachbarland und der verschwenderischen Kosten
der „badischen Linie" weiter tradiert, wiewohl sie 1864 bei der
Entscheidung im Landtag weder relevant noch voraussehbar
waren. Dass Robert Gerwig, Abgeordneter der Ämter Triberg,
Hornberg, Wolfach und Haslach, damals mitsprach, ist belegt:
In der Debatte am 5.7.1864 hielt er eine Rede zu ihren Gunsten,
wie zehn weitere Abgeordnete, deren weit gestreute Herkunft
aus dem gesamten Land jedoch auf einen einheitlichen politischen
Willen in der Zweiten Kammer schließen lässt. Aus ihr
wurde auch „kein Gegenantrag" gestellt,64 sodass der „Oberingenieur
" nicht allein ausschlaggebend gewesen sein konnte. Im
Schramberger „Bahnkampf" bis 1892 kamen die Argumente
jedoch gerade recht, um aus der früheren Enttäuschung doch
noch politischen Gewinn zu schlagen.
Die Bahnfrage in der lokalen Geschichtsschreibung
und Presse
Danach und trotz des 1892 erreichten Eisenbahnziels gingen
jene Parolen in die Schramberger Geschichtsschreibung ein,
die sich mit der Absage von 1864 ebenfalls nicht abrinden
wollte. So heißt es zum badischen Landtag, dass „bei der endgültigen
Entscheidung [...] nicht mehr die Baufachleute, sondern
die Politiker das Sagen [hatten]".65 „In übersteigert patriotisch
kleinstaatlichem Denken verhaftet" hätten sie die
„Schramberger Lösung" nicht genutzt, obgleich diese „sowohl
im Bau als im Betrieb die weitaus billigere, die kürzeste und
auch sicherste" war. Die „Chance" war vertan, und „Schram-
berg ging wieder einmal leer aus!".66 Ähnlich formuliert die
neuere Stadtchronik: „Obwohl die Linie über Schramberg die
kostengünstigste gewesen wäre, entschied der badische Staat
dagegen, denn in diesem Fall wäre die Badische Staatsbahn einige
Kilometer über württembergisches Hoheitsgebiet verlaufen
."67 So werden die Vorwürfe des wirtschaftlichen Egoismus
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