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Frauen der Illenau
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und diese sogar in eine Anstaltswohnung mitnehmen. Neben
diesem Grund der erhöhten Kündigungen wegen Heirat beim
weiblichen Personal gab es auch weitere Gründe wie z.B. Ruhestand
, Versetzung, Tod oder Beschwerden.13
Da Frauen des 19. Jahrhunderts als Hausfrauen, Mütter und
liebevolle Personen galten, die sich um die Familie kümmerten
, waren sie für den Pflegeberuf wie geschaffen. Sie hatten
die Tugenden und Eigenschaften, die zur Ausübung der Krankenpflege
ideal waren. Neben Sittsamkeit, Demut und Geduld
sollten sie auch über Genügsamkeit verfügen sowie Widerstandskraft
haben, um mit der schweren Aufgabe der Pflege
zurechtzukommen.14 Die Arbeitsverhältnisse waren in der
Pflege im 19. Jahrhundert nicht mit den heutigen vergleichbar.
Neben langen Arbeitszeiten ohne Pausen und zusätzlichem
Nachtdienst gab es selten bis nie Urlaub, aber auch ungleiche
Löhne. Nicht nur heute ist es so, dass Frauen zum Teil im gleichen
Beruf, bei der gleichen Arbeit weniger verdienen. Auch im
19. und 20. Jahrhundert gab es für Frauen deutlich weniger
Gehalt als für ihre männlichen Kollegen. In der Illenau wurden
auch Unterschiede gemacht. Wärterinnen und Oberwärterinnen
erhielten nur einen Bruchteil von dem, was ihre männlichen
Kollegen verdienten. Um 1908 erhielten Frauen etwa 3A
des Gehaltes eines Mannes.15 Dennoch war dies eine Steigerung
im Vergleich zu zuvor und anderen Berufen. Da eine Frau ab der
Heirat sich nur noch um Familie und Haushalt zu kümmern
hatte, war ein geringerer Lohn nicht weiter tragisch. Oftmals
arbeiteten Frauen, damit sie ihre Eltern unterstützen konnten
und bis zur Hochzeit eine kleine Mitgift verdienen konnten.
Doch den Frauen machte der Lohn oftmals nichts aus, sie arbeiteten
nach Gottes Wille für diejenigen, die sich nicht um sich
selbst kümmern konnten und ihre Hilfe benötigten.
Mit den Jahren wurden die Worte Wärter und Wärterin
durch Pfleger und Pflegerin ersetzt, da Wärter eine veraltete Bezeichnung
war und sie noch immer an Zuchthäuser und Tobhäuser
erinnerte. Darüber hinaus sollte die Bezeichnung Pfleger
den Pfleglingen weniger Angst machen. Bei einigen Pfleglingen
blieb das Wort Wärter dennoch sehr lange erhalten.16
Die Frauen, die in der Illenau begannen zu arbeiten, waren
durchschnittlich 18 bis 19 Jahre alt und nur wenige blieben
zwischen sechs und zehn Jahre in der Anstalt.17 Selten blieben
Frauen über diese Zeit hinaus in der Illenau. Es werden Beispiele
von Frauen folgen, die bis zu ihrem Lebensende in der
Illenau blieben. Bei Männern war das durchschnittliche Eintrittsalter
etwa 23 bis 24 Jahre, aber auch hier blieben nur wenige
länger als zehn Jahre.
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