http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2018/0476
_ 475
Erziehung zu Religiosität, Sittlichkeit und Gehorsam
Eine Vormundschaft im 19. Jahrhundert
Dieter Petri
Dem Zeller Stadt-Archiv wurde vor einiger Zeit von privater
Seite eine Akte mit dem Schriftverkehr über eine Vormundschaft
in Zell-Oberentersbach übergeben. Vormundschaften
gibt es bis heute und wird es auch künftig geben. Immer wieder
sind Personen auf diese Unterstützung angewiesen. Der Begriff
„Vormund" wurde allerdings in jüngster Zeit durch den Begriff
„Gesetzlicher Betreuer" ersetzt, und statt von einem „Mündel"
spricht man heute von einem „Betreuten".
Am 9. April 1844 haben Valentin Lehmann von Oberentersbach
und Therese Damm von Unterharmersbach geheiratet.
Gemeinsam bewirtschafteten sie einen Hof in Oberentersbach.
Aus der Ehe gingen neun Kinder hervor. Am 17. März 1865
starb die Mutter. Sie hatte zwei Monate zuvor, am 11. Januar,
ein Mädchen zur Welt gebracht, das auf den Namen Karoline
getauft wurde. Man muss annehmen, dass die Mutter an den
Folgen der Geburt gestorben ist. Als wenig später, am 19. April
des Jahres, auch der Vater verstarb, war die familiäre Katastrophe
vollständig.
Am 27. Dezember 1865 fand im Zeller Rathaus vor dem
Großherzoglichen Notar Karl Kaiser eine Sitzung über die Aufteilung
der Erbschaft statt. Die Eheleute hatten kein Testament
hinterlassen, bei ihrer Eheschließung jedoch eine allgemeine
Gütergemeinschaft vereinbart. Alle Kinder waren noch minderjährig
, das älteste Kind, Sohn Jakob, war erst 16 Jahre alt.
Die Kinder brauchten einen Vormund.
Die angesprochene Akte bezieht sich auf die Vormundschaft
für das achte Kind, Valentin Lehmann, geb. am 3. April 1862.
Valentins Vormund wurde durch Bescheid des Amtsgerichts
Josef Halter, Landwirt in Oberentersbach. Weil keines der Kinder
in der Lage war, den Hof zu übernehmen, wurde er verkauft
. Am 7. Juni 1866 erwarb Joseph Gureth den Hof, die Liegenschaften
und die Fahrnisse, für rd. 12000 Gulden. Nach
Abzug der Schulden wurde das Reinvermögen durch neun geteilt
. Es ergab sich für jedes Kind ein Anteil von 1233 Gulden
und 38 Kreuzer.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2018/0476