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476 Dieter Petri
Hofkauf auf Kredit
Der Käufer Gureth konnte den Kaufpreis zunächst nicht aufbringen
. Er verpflichtete sich aber zu einer Verzinsung des
Kaufpreises in Höhe von 4 % für ein Jahr. Wie er nach einem
Jahr das Geld beschafft hat, geht aus der vorliegenden Akte
nicht hervor. Die städtische Sparkasse hat ihm in dieser Höhe
sicher kein Darlehen gewährt. Sie existierte zwar schon ab
1852, verlieh aber nur kleinere Beträge. Im Gegenzug nahm
sie auch nur kleine Sparbeträge als Einlagen an. Dahinter
stand die Vorsicht der Stadt, die nicht bereit war, für größere
Beträge einen Garantie zu übernehmen. Zwar existierte in
Zell ab 1875 eine Gewerbebank (heute Volksbank), der Vormund
legte jedoch ab 1877 für seinen Mündel größere Beträge
bei der Großherzoglichen Eisenbahnschuldentilgungskasse
Karlsruhe an.
Am 7. Juli 1867 notierte Vormund Halter, dass Joseph
Gureth für den Mündel Valentin Lehmann 1233 Gulden bezahlt
hat. Für den Vormund bestand nun die Aufgabe, das
Geld „mündelsicher", d.h. risikoarm, anzulegen. Um private
Interessenten an einem Darlehen ausfindig zu machen, inserierte
er im „Lahrer Wochenblatt" und im „Ortenauer Boten"
Offenburg. Er habe als Vormund eine Summe von 1200 Gulden
zu verleihen. Der Zinssatz solle 4% betragen, was üblich
war. Als Sicherheit wurde ein „gesetzliches Unterpfand" verlangt
. Konkret ging es um Liegenschaften, die in das Pfandbuch
der Gemeinde des Darlehenempfängers eingetragen
werden mussten.
Bereits am 24. Mai 1866 hatte Halter seinen Mündel Valentin
Lehmann bei einem Zeller Schreiner namens Wendelin
Walter in Pflege gegeben. Im „Verpflegungsvertrag" versprach
Walter „seinem Pfleglinge eine nahrhafte Kost in hinreichendem
Maße zu geben" und „ihn reinlich auf seine Kosten zu
kleiden u. ihm ein reinliches Bett zur Schlafstelle zu überlassen
, so wie ihm in gesunden und kranken Tagen alle jene
Pflege zu geben, die Eltern ihren Kindern schuldig sind". Das
jährliche Pflegegeld betrug 40 Gulden. Dass die Kleidung von
der Pflegefamilie zu bezahlen war, lässt darauf schließen, dass
der Junge in der Schreinerei mithalf und kleinere Arbeiten und
Botengänge übernahm.
Im Jahresbericht des Vormunds werden auch Kosten für den
praktischen Arzt in Zell, namens Dreher, und den Zeller Apotheker
C. Haiz aufgeführt. Diese waren im Verpflegungsbetrag
nicht inbegriffen, sondern wurden nach Bedarf vom Vormund
aus dem Vermögen des Mündels bezahlt.
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