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40 Psychische Studien. 1. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1S74.)
Leibe physische Kräfte nöthig; sie ist selbst physisch im
Verkehr mit dem Physischen. Während aber das Physische
auf dem Arbeiterstandpunkte stehen geblieben ist, hat die
Seele über diese ihr auch verbleibenden Wirkungskräfte
hinaus in sich noch ein höheres Leben entwickelt, wie der
Künstler, welcher, obgleich in der Steinmetz-Arbeit geschätzt,
zugleich in der Phantasiewelt lebt und webt. Dies ist auch
der Grund, weshalb die Natur einen ewigen Bestand hat
und die materielle Welt niemals verschwinden kann, wie
sich einige Idealisten eingebildet haben odei noch einbilden.
Denn selbst wenn alles sogenannte Materielle sich zu seelischer
und geistiger Thätigkeit entwickelt hätte, so würde
es doch zu einander immer in substantiellem Gegensatz stehen,
da die Substanzen nicht in einander verschwinden können.
Also wird mit diesem Gegensatze immer die Bedingung
aller Naturerscheinung bestehen bleiben. Ist Gott, wie der
Verfasser oben sagte, das Sein der Seele, so kann sie auch
nicht geschaffen sein. Da sie Substanz ist, so ist sie schon
immer und ewig. „Durch Gottes ewige Wesenheit ist eben
ein Jedes das, was es ist. und wenn dieses Sein aufgehoben
würde, so würde eben damit Gottes Wesen selbst aufgehoben
, von dem und in dem dieses Sein ist."
Ist aber die Seele ihrer Substanz nach schon von Ewigkeit
mit Gott zugleich, welcher das Sein ist, so kann die
sogenannte Entstehung der Seele nichts Anderes als die Entwicklung
der Seelenthätigkeit sein. „Da wir nun sehen,
dass unsere Seele funktionirt unter dem Einfluss und im
Zusammenhang mit dem organischen Leibe, so sehen wir
keinen Grund, für die ersten Anfänge dieser höheren seelischen
Funktionen eine andere Ursache zu suchen, als den
natürlichen Einfluss des organischen Lebens im Vater und
in der Mutter. Die Seele der Eltern hat dabei aber sicherlich
den wesentlichsten Antheil, insofern sie ja durch ihre
bewusste und noch mehr durch ihre unbewusste Funktion
auf den Organismus wirkt, und selbst genau der Organisation
desselben analog ist, da Seele und Leib als ein
dramatisches Ganzes betrachtet werden müssen."
Wir folgen hier dem Verfasser nicht in seine Untersuchungen
über die Generationstheorien (Theilung, Knospung
, Keimbildung), und können dem Leser, dessen Interesse
dafür genug geweckt ist, es überlassen nachzulesen,
was der Verfasser über das Verhäl*niss der früheren Weltansichten
zu der vierten sagt.
Wendet sich nun der Verfasser zu der Betrachtung
der Zukunft der Seele, so folgt schon aus dem Gesagten,
dass ihm die individuelle Unsterblichkeit als apodiktisch beweisbar
gilt. Aber von der individuellen unterscheidet er
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