http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1874/0144
136 Psychische Studien. I. Jahrg. 3. Heft. (März 1874.)
keit her ist und sich entwickelt, so muss sie sich in Ewigkeit
fortentwickeln, ohne je zur Vollkommenheit zu gelangen.
Es widerspricht sich, einen strengen Beweis für die persönliche
Portdauer für unmöglich zu erklären und doch dieselbe
für eine nothwendige Folge der aufgestellten (für
wahr gehaltenen) Prämissen auszugeben. Zugegeben, dass
die Seele, wenn sie unsterblich ist, ewig mit der Welt in
Verkehr bleibt, so kann doch die Monadologie nicht eine
vollendende vergeistigte Verleiblichung der Seele lehren,
sondern nur eine äusserliche und darum trennbare Beziehung
auf eine Anzahl von Monaden näher als auf alle
übrigen, sofern noch solche vorhanden wären, die sich nicht
— der monadologisehen Voraussetzung nach — bereits zu
menschlichen Seelen entwickelt hätten, wo sie dann doch
wohl nicht mehr zur Bekleidung anderer Seelen verwendbar
sein würden. Könnten wirklich nach monadologischer
Voraussetzung alle Monaden sich zu menschlichen Seelen
entwickeln, so müsste ihre Entwicklung entweder auf unbegreiflich
unüberwindliche Hemmungen stossen, oder das
Weltall müsste irgendwann — wäre es auch nach Tausenden,
Hunderttausenden, Millionen etc. Kalpa's — aus lauter leiblosen
Seelen bestehen, und was wir physische Welt nennen,
könnte nicht mehr vorhanden sein. Zu solchen Ergebnissen
führt die Monadologie, auch wenn sie es abzuleugnen
versucht, und Jeder kann sehen, dass sie sich unermesslich
weit von den Schriftlehren entfernt, ohne darum im
Mindesten die freie philosophische Forschung zu befriedigen.
Aber der Verfasser hat eine wichtige Erkenntniss errungen,
von welcher aus er nur die richtigen Rückschlüsse anzutreten
hätte, um sich über seinen Halbpantheismus hinaus-
zuschwlngen Wenn er zur Anerkennung der Vollendbarkeit
der menschlichen Seele sich geleitet findet, also ein Ziel
ihrer Entwicklung annimmt, so müsste er zurückschliessen,
dass ihre Entwicklung, und wenn ihre Entwickelang, auch
ihr Dasein, da es ein unthätiges Sein nicht gibt, einen
Anfang gehabt habe, weil ein Daseiendes, welches von unendlicher
Zeit her unterwegs gewesen wäre, sein Ziel nie
zu erreichen vermöchte. Hat die Seele aber einen Anfang
ihrer Entwickelung wie ihres Daseins, so kann sie nicht
Modifikation Gottes sein, sondern muss als Glottes Schöpfung
begriffen werden, der eben als Schöpfer sofort nur als der
überweltliche, ewig vollendete, überzeitliche absolute Geist
erkannt ist. Von dieser Einsicht aus ist es dann nicht
schwer, die Monadologie zu rektificiren. Der wahre, ächte
Theismus aber muss sich zu der Idee einer (Riesen-)Greschiehie
des Weltalls erheben.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1874/0144