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180 Psychische Studien. I. Jahrg. 4. Heft. (April l$U.)
der Faden eines verständnissvollen Zusammenhangs sammt
dem der Geduld, denn das Ganze gestaltete sich mehr als
eine Reihe plötzlich in einander überspringender kaleidoskopischer
Mosaikbilder, welche oft das Ungehörigste zusammenwürfelten
, wie z. B. Crookes'sche Experimente über
die Wirkung der psychischen Kraft und gelegentlich auch
die Notwendigkeit der christlichen Erziehung einer Kindergärtnerin
. Wenn wir diesen Mangel an streng wissenschaftlicher
Durchführung eines einfachen Grundthemas mit nur
den wesentlichsten Berufungen undCitaten, welcher Mangel,
oder vielmehr, welches Zuviel von Mittheiiungen allein den
sonst fliessenden Vortrag nur zu leicht im grellen Lichte
eines in diesen Dingen bloss zur Schau getragenen Dilettantismus
jedem schärferen Beurtheiler erscheinen lassen konnte,
im Hinblick auf das so zahlreich erschienene Publikum,
das offenbar einmal etwas Gründliches und principiell Ueber-
zeugendes über die Geistfrage zu vernehmen gekommen
war, bitter beklagen müssen, so verkennen wir damit keineswegs
das redliche und wohl nach seinem bestem Wissen
aufrichtige Streben des greisen aristokratischen Vorkämpfers
dieser die Gegenwart wieder mehr als je aufregenden Fragen,
dessen „persönliche Liebenswürdigkeit", wie ehrwürdige,
vornehme Gestalt, in Verbindung mit einer ziemlich gewandten
Sprechweise, sich sogar in dem „Leipziger Tageblatte
" vom 4. März er. eine ziemlich vorurteilsfreie Anerkennung
, und somit einen gewissen sacces d'estime zu
erringen wusste.
Indess ist wohl weder der scheinbare äussere Erfolg
noch das nach Gunst und Vorurtheil hin und her
schwankende XJrtheil der Aussenwelt der rechte Massstab
einer wahren Kritik über den selbstvermeintlich wissenschaftlichen
Verfechter einer so bedeutungsschweren Streitfrage
. Uns will es scheinen, als ob Herr Graf Poninski
seine Aufgabe in der von ihm gewählten Weie durchaus
nicht wissenschaftlich, und damit auch nicht zu nur
einiger Ueberzeugung der sich belehren wollenden Versammelten
zu lösen im Stande war, zumal vor einem so
gemischten Publikum, welches sich diesmal aus fast allen
gebildeten Gesellschaftsklassen Leipzig's zusammengefunden
hatte. Wissenschaftlich ist nur das, was seinem inneren
causalen Zusammenhange nach vollständig begreiflich gemacht
ist. Redner hat aber den Gegenstand durch sein
unzusammenhängendes Verfahren dem Publikum eher noch
unbegreiflicher und verworrener gemacht, wie in dem aus
Letzterem hervorgegangenen Referat schliesslich zu Tage
tritt. Vor spezifischen Anhängern und Sachkennern möchte
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