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228 Psychische Studien. I. Jahrg. f>. Heft. (Mai 1874.)
eine Anmerkung des Herrn Recensenten, welche wörtlich
also lautet:
„Es ist gewiss richtig, wer Strauss und seine Gesinnungsgenossen
ernstlich widerlegen will, der muss auf
die Begriffe von Sein und Werden zurückgehen und zeigen,
dass das Sein das Primäre ist, ohne welches es ein Werden
nicht geben kann. Aber sehr leichtfertig und voreilig
ist es, wenn darauf gestützt ein Recenseut über Strauss
im „Magazin für die Literatur des Auslandes*' J872, IV. 52,
Alex. Jung sich in folgender Weise ergeht: „ „Gott ist gewisser
als jeder mathematische Satz, denn jedes Axiom ist
eine Bedingung der Wahrheit an sich. GoL,t ist sicherer
als jede andere Gewissheit, denn jede andere Gewissheit
setzt eine Gewissheit an sich voraus. Daher ist die Unsterblichkeit
der Geister gewisser als die Sterblichkeit der
Leiber: denn alles Vergehen und Werden hat zu seinem
Prius c/as Sein, also etwas, was das AVerden erst ermöglicht.** "
Man sieht, wie Thorheit sich nicht allein an falsche, sondern
auch au halbwegs richtige metaphysische Sätze anschliessen
kann."
Er wird hier als richtig bezeichnet, dass das Sein das
Primäre sei, ohne welches es ein Werden nicht geben könne.
A. Jung denkt dabei an das Sein Gottes, welches lnch ihm
dem Werden der AVeit vorangehe. Er setzt das Sein
Gottes ausdrücklich als das ewiger Weise Vollendete dem
Strams'Hchcn ewigen AVerden als fortgehendes Entstehen
und Vergehen entgegen und deutet damit an, dass er die
Uebern eltlichkeit Gottes, den AVesensunterschied Gottes
von der Welt und Gottes Unvermischbarkeit mit der Welt
anerkannt wissen will. Alexander Jung geht noch einen
Schritt weiter und behauptet, dass die Gewißheit von dem
Dasein Gottes die gewisseste aller AVahrheiten sei und dass
jede andere AVahrheit, jedes (sonstigej Axiom, nicht, wie
der Herr Recensent entstellend ihn sagen lässt, eine Bedingung
der Wahrheit an sich, sondern dass jedes Axiom
eine Wahrheit unter der Bedingung der AVahrheit an sieh
sei. Auch ist seine Behauptung, dass die Unsterblichkeit
der Geister gewisser als die Sterblichkeit der Leiber sei,
nicht so zu verstehe*!, als ob ihm di<» Sterblichkeit der
Leiber ungewiss wäre, sondern so, dass aus der erkannten
gewissesten AVahrheit von Gottes Dasein als des absoluten
Geistes und des Schöpfers der Welt die Annahme der
Unsterblichkeit des geschaffenen Geistes gewisser sei, als
die (empirisch bekannte) Sterblichkeit der Leiber, die, was
er offenbar im Sinne hatte, nicht mit Notwendigkeit aus
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