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230 Psycl ische Studien. I. Jahrg 5. Heft. (Mai 1874)
eröffnet. Die prachtvollsten Naturschiiderungen wechseln
in kunstvoller Verwebung mit den feinsten psychologischen
Darstellungen. Eine Sprachgewalt in allen möglichen Nuan-
cirungen und eine Sprachvollendung, wie sie wohl kaum
noch dagewesen ist, durchgeistigt vom Anfang bis zum
Ende diesen in seiner Art einzigen Roman. Der Angelpunkt
, um den sich Alles in diesem tiefsinnigen Roman
bewegt, ist der Gegensatz des Pessimismus und des Optimismus
. Alle Erscheinungsformen des Pessimismus unserer
Zeit finden ihren Platz und ihre Beleuchtung in einer Tiefe
und Hoheit der Gedanken, die an unsere giössten Dichter,
vor Allem an Dante erinnert und keiner philosophischen Weltanschauung
der Neuzeit bei aller Selbständigkeit und Eigen-
thümlichkeit näher steht, als jener Franz v. Baader's, welche
unaufhaltsam ihrem Siege entgegengeht, um noch grössere
Leistungen hervorzurufen, als sie ihrem Urheber möglich
waren. Die grosse Bedeutung des vorliegenden Romans
liegt in der genialen Einführung im philosophischen Sinne
des Wortes positiver Grundanschauungen in eine Dichtungsgattung
, welche zu lange schon entweder der zeittodt-
schlägerischen Unterhaltung, oder den negativen zerstörenden
Tendenzen des Spinozismus, des linksgewendeten
Hegelianismus, des in hohlen Materialismus übergeschnappten
Feuerbachianismus, des pessimistischen Atheismus
Schopenhauers gedient hat, der Romane ultramontaner Tendenz
nicht zu gedenken. Auf einige Differenzer der Anschauung
näher einzugehen, ist hier nicht der Ort. Es
kann nicht bezweifelt werden, dass die deutsche Nation,
welche jetzt in ihrem grossartigen Aufschwung der positivschöpferischen
Geisteselemente mehr als je bedarf, um ihre
errungene Weltstellung zu behaupten und in ihrer Grösse
fortzuwachsen, die dargebotene geniale Gabe zu würdigen
wissen werde. Sie würde auch wohl thun zurückzugreifen
auf die früheren Meisterwerke desselben Verfassers, die er
ihrem Hauptstamm nach in der Vorrede angibt und von
welchem wir nur der beiden gedenken wollen, die ihm unter
unsern edelsten Schriftstellern einen hervorragenden Rang
sichern: 1) Das Geheimniss der Lebenskunst, 2 Bde., Leipzig,
Brockhaus 1858; 2) Rosmarin, oder die Schule des Lebens.
Roman, daselbst, 5 Bde., 1862."
Spürt man der Quelle nach, aus welcher die Animosität
des Herrn Receusenten gegen Alexander Jung entsprungen
sein mag, so lässt sie sich leicht erkennen in dem gegnerischen
Verhältniss zur Herlart1 sehen und dem freundlichen
zur Baader1 sehen Philosophie, welches sich A. Jung gegeben
hat. Wenn A, Jung das Sein Gottes das Prius des Wer-
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