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Zur Kritik des Wtmderbegriffes bei A. R. Wallace. 411
hängen, welche die Wirkung flieser verschiedenen Kräfte
überwinden oder ihr entgegenwirken können, gerade so wie
einige dieser Kräfte oft andern entgegenwirken oder dieselben
überwinden; und dieses sollte förwahr eine starke
Verlockung für einen Gelehrten sein, den Gegenstand zu
untersuchen/'
Die „Verletzung der Naturgesetze" lässt sich also nicht
als Gegenbeweis gegen berichtete Wundererscheinimgen
gebrauchen. Denn erstlich kennen wir noch nicht alle
Naturgesetze, und zweitens kann, was uns als eine Verletzung
eines bekannten Naturgesetzes erscheint, bloss
eine Ueberwindung desselben durch ein höheres Gesetz
sein. Der in die Luft sich erhebende Tisch hat seine
Schwere nicht verloren, dieselbe ist bloss durch eine stärkere
Kraft überwunden worden, und wer wagt es zu behaupten,
dass es keine stärkere Kraft geben könne?
Anders verhält es sich schon mit den von Wallace angeführten
fingirten Beisjjielen, deren sich die modernen
Leugner der spiritualistisehen Phänomene als Gegenargumente
gegen dieselben bedienen. Eines dieser Beispiele lautet:
„Wenn mir ein Mensch erzählt, dass er von New-York auf
einem Telegraphendrahte gekommen sei, so glaub' ich ihm
nicht. "Wenn mir fünfzig, oder eine noch so grosse Anzahl
Menschen dasselbe erzählten, so glaube ich ihnen nicht."
Das andere Beispiel lautet: „Wenn mir ein Mann erzählt
dass er den Löwen auf dem Northumberland-House zu dem
Trafalgar-Square herabklettern und Wasser aus der Fontäne
trinken sah, so würde ich ihm nicht glauben. Wenn mir
fünfzig, oder jede beliebige Anzahl Leute dasselbe versicherten
, so würde ich ihnen doch nicht glauben." „Daraus",
sagt Wallace, „wird geschlossen, dass es gewisse so absurde
und so unglaubliche Dinge giebt, dass keine Summe von
Zeugnissen dieselben einem vernünftigen Menschen möglicherweise
glaublich machen könnte." Wallace findet das
Trügerische dieses Schlusses in der Voraussetzung, „dass
eine grosse Anzahl unabhängiger, ehrlicher, verständiger
und vernünftiger Zeugen eine Thatsache, die sich überhaupt
niemals ereignet hat, als wirklich bezeugen könnte."
(Wallace, Die wissenschaftl. Ansicht des Ueber natürlichen,
S. 99.)
Aber ich sehe durchaus nichts Unmögliches darin,
dass eine grosse Anzahl ehrlicher und verständiger Leute
ein Ereigniss als ein tha tsächliches bezeuge, welches
bloss in ihrer Vision stattgefunden,' und ich kann daher
keinen Trugschluss in dem Satze finden, „dass es gewisse
so absurde und so unglaubliche Dinge giebt, dass keine
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