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iV> Psychische Studien. I. Jahrg. 10. Heft. (October 1874.)
erscheint ihm noch als ein normales Phänomen des Lebens,
wogegen nichts zu erinnern ist. Er bespricht die Schlummerbilder
, die Erinnerung des Traumes, die Wirkungen der
vergrössernden Phantasie in Träumen recht gut. Wenn er
aber (S. 327) behauptet, man könne nur von dem träumen,
was man, wenn auch in ganz anderer Form, sinnlich erfahren
habe, so wäre diess doch nur richtig, wenn es bloss
auf die Sinnenwelt bezügliche Träume gäbe. Es gibt aber
auch geistige, wenn man sie so nennen will, G-edanken-
träume, Träume, die sich mit religiösen, wissenschaftlichen,
dichterischen, überhaupt künstlerischen Fragen und Aufgaben
beschäftigen, die allerdings ebenfalls Erfahrungen,
aber nicht nothwendig unmittelbar sinnliche, oder doch
nicht sinnliche jeder Art voraussetzen. Damit ist es ganz
wohl vereinbar, dass der Taubgeborene nie von Hörbarem,
der Blindgeborene nie vom Sichtbaren träumt. Dass
übrigens im Traume, so gut wie im Wachen, das magische
Vermögen des Geistes aufgeschlossen werden kann, leugnet
der Verfasser nicht. Indem er vom Fliegen im Traume
spricht, bemerkt er, er glaube, es sei darunter vielmehr ein
Schweben zu verstehen, was bei ihm oft vorkomme, und
zwar mit geringerer oder grösserer Leichtigkeit. Aber
Andere haben keineswegs die Erinnerung von einem blossen
Schweben, sondern von einem vollkommenen Fliegen im
Traume.*) Ich selbst erinnere mich solcher Träume, in
welchen ich nicht bloss aufwärts und herab wärt s, sondern
auch horizontal durch weite Strecken flog, einmal aufwärts
in ungeheure Entfernung von der Erde, wo ich sie nur
noch wie ein Kügelchen erblickte, und von da wieder herab,
das immer Grösserwerden der Erdkugel bemerkend, bis ich
ganz sanft auf dem Boden meiner von meinem damaligen
Wohnort entfernten Vaterstadt ankam, ein anderesmal
horizontal, an zwei feinen Bändern einen in der Luft vor
mir her pfeilschnell fliegenden Hirsch haltend und ihm mit
gleicher Schnelligkeit durch weite Gefilde hin folgend. **)
Im Capitel der ungewöhnlichen Zustände bespricht
der Verfasser kurz die Illusion (falsche Beurtheilung eines
wirklichen, durch die Sinne wahrgenommenen Gegenstandes),
die Hallucination (falsche Beurtheilung innerer Reize) und
die Vision. Von der letzteren sagt er sehr gut: „Die
wahre Vision ist nur durch das sogenannte magische
*) Man müsste dann das Traumfliegen, weil in der Eegel dabei
besondere Flugorgane nicht mitgeträumt sind, Schweben (Fortschweben
) nennen wollen.
**) Aber wie war alsdann der Flugaparrat selbst beschaffen?
Die ßedaction.
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